Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
errichten, wenn uns danach wäre. Um uns diese Missgeburten unumstößlich vom Leib zu halten.«
    Emma erwiderte nichts. Sie stand auf der obersten Stufe und ließ den Blick über den Hof in Richtung der rasch dunkler werdenden Landschaft wandern.
    »Die Sonne geht allmählich unter«, murmelte sie. »Wir sollten besser bald reingehen.«
    »Ich weiß nicht, ob das noch einen Unterschied macht«, entgegnete Michael leise, erklomm die Stufen und stellte sich neben sie. »Egal, ob es hell oder dunkel ist, diese verfluchten Dinger sind ständig in Bewegung. Unter Umständen ist es nachts sogar sicherer draußen. Zumindest können sie uns nicht sehen, wenn es dunkel ist.«
    »Aber immer noch hören. Vielleicht sogar riechen.«
    »Es spielt keine Rolle«, gab Michael zurück und sah ihr ins Gesicht. »Sie können nicht an uns ran.«
    Emma nickte, drehte sich um und ging ins Haus. Michael folgte ihr.
    »Carl ist doch drinnen, oder?«, fragte er, als er die Tür zuzog.
    Emma blickte verwirrt drein. »Natürlich ist er drinnen. Er hat sein verdammtes Zimmer seit Tagen kaum noch verlassen. Was denkst du denn, wo er hingegangen sein sollte?«
    Michael zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Raus vielleicht. Ich dachte nur, vielleicht sollte ich sicherheitshalber nachsehen.«
    Emma schüttelte den Kopf und lehnte sich an die Wand der Diele. Im Haus herrschte Finsternis. Der Generator war noch nicht angelassen.
    »Glaub mir«, sagte sie mit müder, leiser Stimme, »er ist im Haus. Ich habe vorher zu seinem Fenster hinaufgeschaut und ihn gesehen. Er hatte wieder dieses dämliche Fernglas in der Hand und das Gesicht gegen die Scheibe gepresst. Gott allein weiß, was er andauernd beobachtet.«
    »Denkst du, es geht ihm gut?«
    Emma konnte über Michaels Frage nur seufzen. Für sie war qualvoll offensichtlich, dass es Carl alles andere als gut ging. Ebenso offensichtlich war, dass seine Stimmung und seine geistige Stabilität sich mit jedem Tag verschlechterten.
    Michael spürte ihre Frustration.
    »Er kommt durch diese Phase durch«, meinte er optimistisch. »Lass ihm etwas Zeit, und er kommt über alles hinweg, was geschehen ist.«
    »Glaubst du das wirklich?«, hakte Emma nach.
    Michael überlegte kurz.
    »Ja ... Wieso, du etwa nicht?«
    Schulterzuckend verschwand sie in der Küche.
    »Ich weiß es nicht. Jedenfalls leidet er entsetzlich, soviel steht fest.«
    »Wir leiden alle.«
    »Das ist mir schon klar. Verdammt noch mal, wir haben diese Unterhaltung schon zig Mal geführt. Er hat wesentlich mehr verloren als wir. Du und ich, wir beide haben alleine gelebt. Er hingegen hatte jede freie Minute mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind verbracht.«
    »Das verstehe ich ja, aber –«
    »Ich bin nicht sicher, ob du das verstehst. Ich bin nicht mal sicher, ob ich selbst verstehe, wie sehr er leidet. Ich glaube eher, ich werde es nie nachvollziehen können.«
    In Michael regte sich allmählich Verärgerung, und er war nicht gänzlich sicher weshalb. Gut, Carl litt also, doch kein Hoffen, Beten und Weinen würde irgendetwas zurückbringen. So hart es klingen mochte, seiner Ansicht nach konnten sie nur überleben, indem sie sich auf die Zukunft konzentrierten und alles zu vergessen versuchten, was in der Vergangenheit lag.
    Er beobachtete, wie Emma ihren Mantel auszog, in der Diele aufhängte, eine Kerze anzündete und nach oben ging.
    Allein in der Dunkelheit lauschte Michael den Geräuschen des alten, knarrenden Hauses. Draußen hatte ein heftiger Wind eingesetzt, und er hörte die ersten Tropfen eines Regengusses gegen das Küchenfenster prasseln. Während sich zunehmend Kälte ausbreitete, dachte er eingehender über Carl nach. Dabei steigerten sich seine Frustration und seine Besorgnis weiter. Es ging nicht bloß um Carl, erkannte er. Das Wohlergehen jedes einzelnen von ihnen war von entscheidender Bedeutung für sie alle . Das Leben wurde mit jedem Tag gefährlicher, und sie konnten es sich nicht leisten, irgendwelche Risiken einzugehen. Sie mussten alle am selben Strang ziehen, um zu überleben. Und eben das war nicht mehr der Fall. Allmählich fühlte es sich an, als säßen nur noch Emma und er im selben Boot, während Carl nur zufällig ebenfalls anwesend zu sein schien, abgekapselt und überflüssig.
    Ihm wurde bewusst, dass sie ihn zurück in die Gemeinschaft zerren mussten.
    Carl verkörperte ihre verwundbare Stelle. Er entwickelte sich rasant zu ihrer Achillesferse, und jedes Mal, wenn sie die Sicherheit des Hauses

Weitere Kostenlose Bücher