Herbst - Beginn
sicher.«
Die Filmmusik setzte wieder ein und erschreckte sie. Mit bis in den Hals pochendem Herzen griff sie nach unten und schaltete den Fernseher aus.
»Hey, ich wollte mir das zu Ende ansehen«, protestierte Carl.
»Halt um Himmels willen die Klappe«, herrschte sie ihn an.
Dann ertönte es erneut. Ein neues Geräusch, das eindeutig von draußen stammte. Es war weder der Wind noch der Regen, und Emma hatte es sich nicht eingebildet.
Auch Michael hörte es.
Ohne weiteres Wort rannte Emma aus dem Wohnzimmer in die dunkle Küche. Rasch bahnte sie sich einen Weg um den Tisch und die Stühle herum zum Fenster, wo sie sich den Hals verrenkte, um hinauszublicken.
»Ist da draußen etwas?«, fragte Michael dicht hinter ihr.
»Nichts«, murmelte sie. Damit drehte sie sich um und steuerte aus der Küche auf die Treppe zu. Auf halbem Weg nach oben hielt sie inne und wandte sich nach Michael um. »Horch«, flüsterte sie und hob einen Finger an die Lippen. »Da ist es wieder. Hörst du es?«
Er hielt den Atem an und lauschte aufmerksam. Ein paar Augenblicke lang drangen nur der Wind, der Regen und das stete, rhythmische Dröhnen des Generators zu ihm. Dann nahm er den Bruchteil einer Sekunde jenen neuen Laut wahr. Seine Ohren schienen sich auf die Frequenz des Geräusches einzupendeln und es aus dem Rest des Hintergrundlärms herauszufiltern. Während er sich konzentrierte, schwoll es an und ab und veränderte sich. Es war abwechselnd der Klang von etwas, das gegen das Holztor über die Brücke klapperte, dann ein anderer, weniger offensichtlicher Laut, ehe es wieder in ein Klappern und Pochen umschlug. Wortlos rannte Michael auf Emma zu und drängte sich an ihr vorbei. Sie folgte ihm, als er in ihr Schlafzimmer verschwand. Als sie den Raum betrat, stand er bereits an der gegenüberliegenden Seite am Fenster und starrte ungläubig hinaus.
»Verdammt«, stieß er hervor, während er hinabschaute. »Sieh dir das an ...«
Beklommen durchquerte Emma das Zimmer und spähte ihm über die Schulter. Obwohl draußen Dunkelheit herrschte und der heftige Regen die Sicht durch das Glas zusätzlich trübte, konnte sie auf der anderen Seite der Barriere eindeutig Bewegung erkennen – über die gesamte Länge der Barrikade erstreckten sich gewaltige Scharen von wandelnden Leichnamen. Sie hatten schon häufiger einen oder zwei davor gesehen, aber noch nie annähernd so viele.
»Das sind hunderte«, flüsterte Michael mit vor Angst heiserer Stimme. »Hunderte, verdammte Scheiße.«
»Warum?«, fragte Emma.
»Der Generator«, erwiderte er seufzend. »Sie müssen den Generator trotz des Wetters gehört haben.«
»Mist.«
»Und das Licht«, fuhr er fort. »Wir hatten Licht an. Das müssen sie gesehen haben. Außerdem war da der Rauch des Feuers.«
Emma schüttelte den Kopf und starrte hinab auf die verwesende Menge, die sich um das Haus eingefunden hatte.
»Aber warum so viele?«, fragte sie sich laut.
»Denk doch mal darüber nach«, gab Michael zurück. »Die Welt ist tot. Alles ist still, und nachts ist es dunkel. Ich vermute, es waren nur einer oder zwei nötig, die uns bemerkt haben, das dürfte schon gereicht haben. Die ersten, die auf das Haus zugegangen sind, werden die nächsten angezogen haben, und die wieder die nächsten und so weiter.«
Während die beiden auf die Leichenhorden hinabschauten, hob eine der Kreaturen auf der Steinbrücke die ausgemergelten Arme und begann, gegen das Holztor zu hämmern.
»Was ist denn los?«, fragte Carl, der sich endlich aufgerafft hatte und nach oben gekommen war.
»Leichen«, antwortete Michael leise. »Hunderte Leichen.«
Carl schleppte sich mit träge über den Boden schlurfenden Füßen zum Fenster und schaute auf den Hof hinaus.
»Was wollen die hier?«, murmelte er.
»Das weiß Gott allein«, brummte Michael.
Carl starrte mit morbider Neugier auf die wogende Masse hinab. Emma drehte sich Michael zu und ergriff seinen Arm.
»Sie werden doch nicht durch die Barrikade gelangen, oder?«, fragte sie.
Michael hatte das Gefühl, sie beruhigen zu müssen, doch er brachte es nicht fertig zu lügen.
»Ich weiß es nicht«, gab er mit brutaler Ehrlichkeit zurück.
»Aber sie sind doch so schwach«, meinte sie, womit sie versuchte, sich selbst zu überzeugen, dass sie im Haus nach wie vor sicher waren.
»Einzeln schon«, pflichtete Michael ihr bei. »Aber da draußen sind hunderte. Ich habe keine Ahnung, wozu sie in solcher Zahl fähig sind.«
Emma schauderte sichtlich
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