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Herbst - Läuterung

Herbst - Läuterung

Titel: Herbst - Läuterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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Flasche mit Bier ins Spiel?«
    »Ich fühle mich, als wäre alles in mir durcheinandergeschüttelt worden, doch der Deckel war fest verschlossen. Bis er abgenommen wird, kann nichts nach außen dringen. Heute hier zu sein, das war wie eine Befreiung. Ich habe es nicht erwartet ...«
    »Also fühlen Sie sich jetzt ...«
    »Halb leer und schal.« Guest lächelte traurig.
    Michael nickte gedankenvoll, während er über die ungewöhnliche, aber zutreffende Analogie des Mannes nachdachte. Er begann zu begreifen, was gemeint war. »Was hatte es mit dem Spielzeug auf sich?« An der jähen Veränderung von Guests Körpersprache konnte er erkennten, dass dessen Nerven immer noch blank lagen.
    »Mit diesem Ding da?« Peter Guest nahm das Spielzeug aus seiner Tasche und musterte es wieder, während Michael zustimmend nickte. »Am ersten Morgen«, erklärte er weiter, während seine Stimme heiser vor Betroffenheit klang, »sollte ich Joe, meinen Jungen, in der Schule besuchen. Es war seine erste Klassenversammlung ...« Er hörte auf zu sprechen, als der Schmerz zu groß wurde. Obgleich er ständig an ihn gedacht hatte, hatte er den Namen seines Sohnes seit acht Wochen nicht mehr laut ausgesprochen und es schmerzte heftig, ihn jetzt zu hören ...
    »Was ist passiert?«, fragte Michael drängend, denn vermutlich würde es Peter helfen zu beenden, was er zu sagen begonnen hatte, auch wenn es qualvoll war. »Ging alles los, bevor Sie dorthin kommen konnten?«
    Guest schüttelte den Kopf und räusperte sich. »Ich wünschte, so wäre es gewesen. Doch ich war nicht einmal in der Nähe der Schule, sondern auf dem Weg zur Arbeit, als es geschah. Da war eine Besprechung, um die ich nicht herumkam, denn wenn ich sie versäumt hätte, dann wäre ich ...«
    »Wären Sie was?«
    »Gekündigt worden.«
    »War das wichtig?«
    »Offensichtlich nicht, doch ich dachte zu der Zeit, dass es das wäre. Wir hatten seit Wochen daran gearbeitet, um ein Geschäft abzuschließen. Mein Bonus und eine fast sichere Beförderung hingen daran, dass die Verträge bei diesem Meeting unterschrieben wurden. Ich hätte sonst verdammt viel Geld verloren.«
    »Aber wenn Sie zurückblicken, war das wichtig? Welchen Nutzen hätte Ihnen der Bonus jetzt gebracht?«
    Guest zappelte verlegen herum. Er kannte die Antworten auf Michaels Fragen, doch das tatsächlich auszusprechen, fiel ihm nicht leicht.
    »Wollen Sie, dass ich leide?«, fragte er mit tränenerstickter Stimme. »Ich weiß gegenwärtig, dass nichts von all dem wirklich von Bedeutung war. Die Arbeit, das Geld, der Wagen, das Haus – nichts davon. Ich hätte die verfluchte Sache schon Monate vorher aufgeben sollen, doch ich dachte, ich würde das Richtige tun. Die traurigste Sache ist, dass ich es vermutlich wieder getan hätte. Meine Prioritäten lagen alle falsch. Ich hätte dort sein müssen, als alles geschah. Ich hätte dort mit meiner Frau und meinem Jungen sein sollen, als sie ...«
    »Wir bereuen alle etwas«, sagte Michael wehmütig. »Ich wette, jeder hier könnte Ihnen hundert Dinge aufzählen, von denen er sich wünschte, er hätte sie anders gemacht. Ich glaube nicht, dass wir je darüber hinwegkommen werden. Ich kann nur hoffen, dass es mit der Zeit leichter wird, mit diesen Gefühlen zu leben.«
    »Ich habe Joe geliebt, wissen Sie. Das Kind bedeutete mir alles. Ich wünschte nur, ich hätte es ihm gesagt.«
    »Sie hätten ihn nur in Verlegenheit gebracht«, meinte Michael. »Er hätte es nicht verstanden.«
    Guest nickte und trocknete seine Augen. »Na gut, dann wünsche ich mir einfach, ich wäre bei ihm gewesen. Ich wünsche mir, ich hätte ihn festgehalten, als es geschah.«
    Die beiden Männer starrten wieder in das Feuer und eine Zeit lang war außer dem Knistern und Krachen der Flammen nichts zu hören.
    »Also, was war mit dem Spielzeug?«, wollte Michael wieder wissen, da ihm einfiel, dass seine Frage nicht ausreichend beantwortet worden war.
    »Ach das«, erwiderte Guest. »Es ist wirklich läppisch. Joe, Jenny und ich gingen an dem Sonntagnachmittag, bevor es geschah, einkaufen. Wir bummelten stundenlang in der Stadt umher und Joe wurde müde und bekam es satt, wie das bei Kindern eben so ist. Ich sagte ihm, ich würde ihm das nächste Mal, wenn wir einkaufen gehen, ein Geschenk seiner Wahl besorgen, wenn er sich jetzt benehmen würde. Ich fragte ihn, was er gerne hätte und erwartete, er würde es auf das größte und teuerste Ding abgesehen haben, das er sich nur vorstellen konnte.

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