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Herbst - Läuterung

Herbst - Läuterung

Titel: Herbst - Läuterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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verloren hatten. Als Ergebnis davon wurden nun mit ungesunder Regelmäßigkeit Vergleiche zwischen der Vergangenheit und dem, was heute davon übrig war, gezogen. Das Zurückblicken war eine verdammt harte und qualvolle Erfahrung.
    Während Michael weiter den Strand hinunterschlenderte und ihm der heftige Wind vom Meer her wild ins Gesicht fuhr, dachte er über das Leben nach, das er geführt hatte, bevor der Albtraum seinen Anfang genommen hatte. Er erkannte die sorglose Haltung, mit der er sein Leben geführt hatte, und dass ihm nichts Sorgen bereitet hatte. Wie jeder andere, so hatte er immer so ziemlich alles für selbstverständlich angesehen. Er dachte an seine Familie, Freunde und sein Zuhause. Dabei stellte er sich sein Haus bildlich vor, so wie er es verlassen hatte und versuchte, diese Darstellung in die Gegenwart zu ziehen. Er malte sich die Straße aus, in der er gelebt hatte und die nun von Moder, Unkraut und Verfall überzogen und deren Gehwege von den Überresten der Menschen, die er gekannt hatte, übersät waren.
    Als der Kies größeren, zerklüfteten und gefährlicheren Felsen wich, fand sich Michael dabei wieder, wie er seine Aufmerksamkeit auf die unmittelbarere Zukunft lenkte. Er erinnerte sich an die Anfangstage und daran, wie er mit Emma und Carl den Bauernhof gefunden hatte. Himmel, sie hätten dort was Besseres zustande bringen sollen. Er hätte stärker sein müssen. Sie hatten sich selbst im Stich gelassen und sich angreifbar gemacht. Andererseits, dachte er, wenn der Bauernhof nicht zu diesem Zeitpunkt eingekesselt worden und untergegangen wäre, so wäre es am Ende sicherlich dennoch irgendwann geschehen. Er erinnerte sich an den Militärstützpunkt und die dortigen Ereignisse. So schnell hatte ein Ort, der allem Anschein nach sicher, stark und uneinnehmbar gewesen war, seinen Schutz verloren und war katastrophal gefährdet worden. Würde sich die Insel als sicherer erweisen? Er musste daran glauben, dass es so sein würde. Im Prinzip waren die hiesigen Gefahren geringer, doch zurzeit stellte sich die Kluft zwischen Vorhersagen und Wirklichkeit als unvorstellbar und unermesslich heraus.
    Alles, was er wollte, war Sicherheit und Unterkunft. Ein ruhiges, einfaches Leben, in dem seine Grundbedürfnisse zufriedengestellt waren. Ein Dach über dem Kopf und Emma an seiner Seite war alles, worauf es hinauslief.

35
    Gary Keele stand kurz nach sechs Uhr des folgenden Morgens zwischen zwei der kleineren Gebäude des Flugplatzes und war außer Sichtweite der zahlreichen Überlebenden, die sich zwischen dem Überwachungsturm, dem Bürogebäude und dem Helikopter hin- und herbewegten. Dieses Mal versteckte er sich nicht, er wollte nur nicht von den anderen gesehen werden. Er war buchstäblich krank vor Nervosität, hatte sich bereits zwei Mal übergeben und die plötzlichen Krämpfe in seinem Bauch wiesen darauf hin, dass er noch ein drittes Mal erbrechen würde. Seit dem gestrigen Abend hatte er nichts mehr gegessen und sein Magen war leer. Doch der Gedanke daran, das Flugzeug zu fliegen, ließ ihm die Galle in die Kehle steigen. Keele hockte sich mit zitternden Beinen nieder, spie in das wuchernde Gras und Unkraut zu seinen Füßen und versuchte, seinen Mund von dem sauren, scharfen Geschmack des Erbrochenen zu reinigen. Er hatte Hunderte Flugstunden auf seinem Konto, warum war er jetzt so aufgeregt? Der Flug zur Insel sollte leichter als der Großteil seiner vorherigen Flüge sein – abgesehen von dem Helikopter, der von Lawrence gesteuert wurde, war der Himmel ansonsten leer. Lag der Grund für seine Nervosität an der Verantwortung für so viele Passagiere, die er befördern musste und die sich vollkommen auf ihn verließen? Es war gut vorstellbar. Während seiner früheren Arbeit als Schleppflugzeugpilot bei einem Segelflugcenter war er fast immer alleine geflogen und musste sich um die Sicherheit von niemandem außer sich selbst kümmern. Oder war es die Tatsache, dass er in der Luft gewesen war, während die Seuche zugeschlagen hatte, so dass der Gedanke an das Fliegen so schwer war? An jenem ersten Morgen hatte er das vierte von fünf Segelflugzeugen in die Luft geschleppt, als sie rund um ihn vom Himmel stürzten.
    Reiß dich verdammt noch mal zusammen, sagte er zu sich selbst und zwang sich, wieder aufrecht zu stehen. Entschlossen nahm er einen tiefen Atemzug und marschierte auf den Rand des Gebäudes zu, blieb jedoch stehen, als das Flugzeug in Sicht kam. Er drückte sich flach an die

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