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Herbst - Läuterung

Herbst - Läuterung

Titel: Herbst - Läuterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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kontinuierlich verwesten. Ihr beschränktes Sehvermögen mochte sich vermindert haben, doch die Tatsache, dass sie in einer so großen Anzahl auf der gegenüberliegenden Seite des Zauns verblieben, schien die Theorie des Arztes zu widerlegen.
    »Cooper hat mir erzählt, dass Sie uns verlassen werden.«
    »Sie sagen das so, als ob ich für immer verschwinden würde«, gab Michael murrend zur Antwort. »Wir haben eigentlich geplant, etwas später am heutigen Tag aufzubrechen. Alles hängt, so nehme ich an, davon ab, ob wir es schaffen werden, bei diesem Wind zu fliegen.«
    »Wie geht es Emma dabei?«
    »Sie ist verzückt«, antwortete er sarkastisch. »Sie ist wirklich erfreut.«
    »Darauf gehe ich jede Wette ein.«
    »Sie sieht es ein.«
    »Was auf Cormansey geschieht, ist maßgeblich.«
    »Ich weiß.«
    »Ist Ihnen bewusst, wie maßgeblich?«
    »Ich denke schon.«
    »Das könnte den Unterschied machen, Mike. Das ist die beste Gelegenheit, die wir je hatten. Das ist die beste Gelegenheit, die wir je bekommen werden.«
    »Ich weiß«, sagte er wieder. Michael erhob sich, bürstete sich ab und ging auf die vor ihm liegende Piste hinaus. Er dachte darüber nach, was Donna gerade gesagt hatte und empfand den plötzlichen Ernst und die Gewichtigkeit des Tages in seltsamer Weise demutsvoll. Bis jetzt hatte er nicht innegehalten, um ausführlicher darüber nachzudenken, was er im Begriff war, zu tun. Sicher, er hatte über praktische Dinge wie etwa darüber, wie sie auf die Insel gelangen würden, nachgedacht und Lippenbekenntnisse darüber abgelegt, dass er damit beginnen würde, für die Gruppe eine Zukunft aufzubauen. Im Freien und ohne Schutz allerdings, als ihm der kalte Wind in das Gesicht biss, begann er, die enorme Tragweite des vor ihm liegenden Auftrages vollständig zu erfassen.
    Michael fühlte sich bereit dazu, den Leichen gegenüberzutreten.
    Nach wochenlanger Untätigkeit war er bereit, schwer zu arbeiten und die Insel von Tod und Verfall zu reinigen. Er war bereit, Pläne zu schmieden und zu arbeiten, etwas aufzubauen und anzupflanzen, um dadurch zu versuchen, Lebensbejahendes aus den Knochenresten der Vergangenheit zu machen.
    Hinter ihm trat Richard Lawrence aus der Tür am Fuße des Beobachtungsturms und ging zu Donna. »Geht’s Ihnen gut?«, fragte er.
    »Ich schnappe nur etwas Luft«, erwiderte sie und gab ihm die gleiche Antwort, die sie Michael ein paar Minuten zuvor gegeben hatte. »Es ist lange her, seit wir das tun konnten.«
    Michael drehte sich um, als er ihre Worte vernahm und ging langsam auf die beiden zu.
    »Wir sehen zu, dass wir gegen Mittag aufbrechen, in Ordnung?«, fragte Lawrence.
    »Werden wir es mit dem Wind schaffen?«
    Der Pilot lachte. »Das ist gar nichts. Ich war kürzlich weit schlimmer dran. Vertrauen Sie mir, es ist ein guter Tag, um zu fliegen. Ein bisschen windig, aber nichts, womit ich nicht fertig werde.«
    Seine offenkundige Zuversicht half nicht, Michael zu begeistern. Sosehr er auch immer noch auf die Insel reisen wollte, so hatte er im Stillen doch auf einen Aufschub gehofft. Obwohl er begriff, warum es sich so verhielt, schienen die Dinge mit unangenehm beschleunigter Geschwindigkeit abzulaufen.
    Er wollte noch etwas Zeit mit Emma verbringen, bevor sie getrennt wurden. Sie hatten beinahe jede Minute in den letzten acht Wochen miteinander verbracht. Nun, da sie im Begriff waren auseinanderzugehen, fühlte sich dennoch jede verbleibende Sekunde plötzlich noch wertvoller an.
    Ohne noch etwas zu sagen, drehte sich Michael um und lief zurück zum Überwachungsturm, um Emma zu suchen.

26
    Zum ersten Mal in jüngster Erinnerung betete Michael darum, dass sich die Zeit verlangsamte. Der Start wurde um eine Stunde verschoben, doch das genügte nicht. Er hätte mehr Zeit gebraucht.
    Die kraftvollen Rotorblätter des Helikopters schnitten über ihren Köpfen durch die Luft, als Lawrence mit Michael, Peter Guest und einem Mann namens Danny Talbot über das tote Land flog. Der Ersatzsitz zwischen Michael und Guest war mit ihren Habseligkeiten und Vorräten beladen. Was für Lawrence rasch zu einer normalen, beinahe schon gewöhnlichen Reise geworden war, stellte für seine Passagiere eine weitaus beunruhigendere Erfahrung dar. Der Pilot hatte sich ebenso gut wie an das Fliegen an den Blick von der Luft aus auf die narbenbedeckte und überwucherte Landschaft gewöhnt. Für Michael, Guest und Talbot war die stürmische Reise ein unangenehmes Unterfangen – eine qualvolle

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