Herbstbringer (German Edition)
du alleine schutzlos bist. Vor allem nach dem, was ich heute herausgefunden habe.«
»Aber genau das ist doch das Problem! Warum sagst du mir nicht einfach, was du weißt!«
Elias nickte nur, als sei er zu einem ähnlichen Schluss gekommen. »Ein Vampir namens Aaron hat deine Spur in London aufgenommen. Er ist ein Jäger, der es auch tagsüber im Freien aushält. So wie du. Und das bedeutet mit ziemlicher Sicherheit, dass dir Michael auf den Fersen ist. Dafür muss nur der Preis stimmen.«
»Hat er eines dieser Viecher auf mich gehetzt? Mir ist heute eines in der U-Bahn-Station begegnet.«
Elias blickte sie durchdringend an. »Viecher??« Sein Gesicht hellte sich auf. »Du meinst die Sirenen? An einer U-Bahn-Station?« Er dachte nach. »Nein«, fuhr er kurz darauf fort. »Die Sirenen gehorchen ihm nicht. Auch sie spüren deine Gegenwart und setzen alles daran, dich zu fassen zu kriegen. Und das will ich um jeden Preis verhindern.«
»Und wieso willst du das?«, fragte Emily. Sie wollte endlich Gewissheit. »Wieso hilfst du mir überhaupt?«
Elias presste die Lippen zusammen. »Weil es das Richtige ist. Ohne dich gibt es nur Tod und Verderben. Du allein machst den Unterschied.«
Emily wusste nicht, ob sie es mögen oder hassen sollte, dass Elias sie so einfach mit schlagkräftigen Argumenten außer Gefecht setzen konnte. Zweifel blieben dennoch zurück. »Für wen mache ich den Unterschied? Für diese Welt oder … für dich?«
»Ist das nicht gleichbedeutend?«
Nein, nicht für mich, dachte Emily, behielt es aber für sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, auf persönliche Zuneigung zu bestehen, wenn die Welt am Abgrund stand. »Also habe ich vier Vampirfamilien und diese Bestien gegen mich«, sagte sie, um das Thema zu wechseln. »Klingt nicht so, als hätte ich gute Karten.«
»Nüchtern betrachtet nicht unbedingt«, gab Elias sehr zu ihrem Erstaunen zu.
»Was ist mit den anderen? Meintest du nicht, dass noch mehr auf meiner Seite sind?«
»So ist es. Doch sie sind fern und verstreut. Sie dazu zu bewegen, nach London zu kommen, ist schwieriger, als ich dachte – was ihnen keiner verübeln kann, wenn man mal darüber nachdenkt.«
»Na toll, also sind wir auf uns allein gestellt?«
»Das kommt darauf an, wie man es sieht.« Plötzlich stand Elias direkt vor Emily. Sie musste sich beherrschen, um nicht zurückzuschrecken. Wie schnell hatte er sich gerade bewegt? »Noch gibt es einen Trumpf, den wir nicht ausgespielt haben.«
Emily blickte ihn fragend an.
»Deine Stärke«, verkündete Elias beinahe feierlich. »Noch weiß niemand um dein Geheimnis. Mich eingeschlossen. Das hat dir mehr Respekt eingebracht, als du dir vorstellen kannst.«
Ihre Stärke. Schon war sie in Gedanken wieder bei dem Gespräch mit ihrer Mutter. Oh ja, sie wusste, was ihre Stärke war. Nutzlos im Kampf, und dennoch wertvoller als alles andere. Dass sie noch eine Seele hatte, war das Einzige, das sie nicht verzweifeln ließ. Das Einzige, wofür das alles lohnte.
»Was genau soll uns das bringen?«, fragte sie betont beiläufig und versuchte verzweifelt, den Argwohn aus ihrer Stimme fernzuhalten. Sie hatte nicht vor, Elias einzuweihen. Noch nicht.
»Nun«, Elias bedachte sie mit einem suchenden Blick. Ahnte er etwas? »Niemand weiß, welche Kräfte wirklich in dir schlummern. Deine Mutter hat deine Geburt überlebt. Es ist davon auszugehen, dass du dieselbe Stärke besitzt, die sie diese Tortur überstehen ließ. Genau deswegen bist du so bedeutend.« Er senkte die Stimme. »Oder warst es …«
»Wer setzt unter diesen Umständen überhaupt Kinder in die Welt?«
»Niemand, solange es sich vermeiden lässt. Und doch will jeder seine Familie stärken, seine Machtposition sichern. Vampire können sehr überzeugend sein, wenn sie etwas wirklich wollen.«
»Und ich«, begann sie vorsichtig, »ich habe all das überstanden?«
Elias’ Augen funkelten für ihren Geschmack etwas zu sehr. »Ja! Wenn wir nur wüssten, was es ist, wie wir es nutzen können!« Fragend, beinahe hungrig blickte Elias sie an.
Emily wich instinktiv zurück. »Selbst wenn ich irgendeine wundersame Stärke besitze, weiß ich nicht, wie ich sie freisetzen kann. Abgesehen davon, dass ich besser sehen, hören und fühlen kann, hat sich eigentlich nichts verändert.«
»Ah ja, natürlich.« Er nickte langsam, die Augenbrauen hochgezogen. »Und dennoch: Alle sind sich einig, dass du sie besitzt.«
»Selbst wenn man außer Acht lässt, dass ich dafür
Weitere Kostenlose Bücher