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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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übersäte alles wie ein unangenehmer Ausschlag.
    Lange stand er einfach nur da, den Blick fest auf das baufällige Anwesen gerichtet. Der verwilderte Garten, der eingefallene Schornstein, die morschen Fensterläden, der abbröckelnde Putz, all das erschien Michael fast ein wenig ungebührlich. Die Mauern dieses Hauses wussten nicht, welchen Gast sie beherbergten. Und schon bald würden sie ihn ausspucken wie eine Fliege, die man versehentlich in den Hals bekommt.
    Sie mussten jeden Moment hier sein. Es wurde Zeit, dass er Stellung bezog. Für ihn gab es keinen Zweifel, auf welchen Wegen der Herbstbringer durch die Tunnel und Gänge geführt werden würde.
    Lautlos verschwand er in der Nacht.

    Emily stellte keine weiteren Zwischenfragen, als sie mit Elias, Willie und Rufus in die Tunnel unter dem Keller hinabstieg. Sie hatte kaum genug Zeit gehabt, ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, bevor Elias sie alle durch die Falltür gescheucht hatte. Mit einem dumpfen Knall fiel sie hinter ihnen ins Schloss und hüllte sie in modrige Dunkelheit.
    »Kein Wort, bis wir einen Ausgang erreicht haben«, mahnte Elias.
    »Welchen Ausgang denn?«, fragte Emily besorgt.
    »Den, durch den sie uns entkommen lassen«, raunte er schroff und marschierte ohne ein weiteres Wort voran. Tuschelnd schlossen Rufus und Willie zu dem Vampir auf.
    »He!«, rief sie dann, »wo ist Ambrose?«
    Elias blieb stehen. Als er sprach, drehte er sich nicht zu ihr um. »Er hat seine Wahl getroffen, als er dich unbeaufsichtigt gehen ließ. Er wusste, was auf dem Spiel stand. Ambrose bleibt zurück und wird den Eingang zu den Tunneln verteidigen. Und jetzt beeilt euch. Er wird sie nicht ewig aufhalten können.«
    Erschüttert stolperte Emily hinter den drei Gestalten her. Er blieb ihretwegen zurück! Und sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet. Selbst Elias schien sehr besorgt – und das beunruhigte sie am meisten.
    Eine vorbeidonnernde U-Bahn brachte den schmalen Gang zum Erzittern. Panisch presste sich Emily an die feuchte Wand und wartete, bis das Grollen vorübergezogen war.
    »Die Northern Line nach Archway «, rief Willie über die Schulter. Emily musste sich beeilen, um mit den anderen Schritt zu halten.
    Weiter, immer weiter, ging es durch die Gänge. Längst hatte Emily die Orientierung verloren. Blind folgte sie Elias, von der Angst getrieben, hier unten in der Finsternis allein zurückgelassen zu werden.
    Ihr Schuh verfing sich in etwas Weichem. Mit einem schmatzenden Geräusch zog sie ihn heraus, stolperte sofort weiter, ohne genauer hinzusehen. Nur nicht zurückbleiben. Nur nicht den Anschluss verlieren.
    In unregelmäßigen Abständen blieb Elias stehen und horchte angestrengt. In diesen Momenten hielt Emily immer den Atem an. Sie war fest davon überzeugt, dass man ihren wild pochenden Herzschlag meilenweit hören konnte.
    Bis auf das Rascheln der Mäuse und das Gluckern der nahen Abwasserströme blieb bislang alles still.
    »Noch haben wir einen Vorsprung«, raunte Elias nach einer weiteren dieser Pausen. »Der nächste Ausstieg ist nicht mehr weit. Obwohl ich nicht weiß, ob er sicher ist.«
    »Welcher denn?«, fragten Willie und Rufus wie aus einem Mund.
    » Highgate «, erwiderte er knapp.
    Die beiden untoten Schauspieler zogen scharf die Luft ein. »Oh …«, sagte Willie.
    »… weh«, vollendete Rufus.
    Weit hinter ihnen hallte etwas durch die Gänge. Ein Schrei? Elias’ Blick nach zu urteilen, ja. »Los, weiter!«, rief er.
    Noch während Elias’ Worte verhallten, prallte Emily zurück. Etwas anderes war an ihr Ohr gedrungen.
    Eine Geigenmelodie.
    Wie angewurzelt blieb sie stehen. Auch Elias hielt an. Die Hand erhoben, blickte er alarmiert auf einen Punkt im schummrigen Dunkel vor sich.
    »Sirenen«, wisperte er nach schier endlosen Momenten angespannter Stille. »Sie sind hier.«
    Dem ersten Impuls, einfach in die entgegengesetzte Richtung wegzurennen, widerstand Emily nur, weil Elias urplötzlich ganz dicht bei ihr stand und ihre Hand drückte. »Ruhig, ganz ruhig. Wenn du wegrennst, tust du ihnen nur einen Gefallen.«
    »Und wenn wir weitergehen, etwa nicht?«, flüsterte sie atemlos zurück.
    »Rufus, Willie, ihr wisst, was zu tun ist«, wandte sich Elias an die beiden schlotternden Untoten, die besorgte Blicke tauschten und unruhig von einem Fuß auf den anderen traten. Sein Ton ließ erkennen, dass er keinen Widerspruch duldete. »Ihr übernehmt die Führung.«
    Die Panik in ihren Gesichtern würde Emily nie

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