Herbstfeuer
Marcus bereit war, ihr so viel Vertrauen zu schenken, so wollte sie ihm darin nicht nachstehen. „Dann sei beruhigt, Westcliff – ja, ich werde deine Frau. Aber ich warne dich – es könnte dir leidtun, dass du auf Verhandlungen verzichtet hast, wenn du später von meinen Bedingungen erfährst. Ich könnte einen wichtigen Posten bei der Seifenfabrik verlangen. Zum Beispiel …“
„Gott steh mir bei“, murmelte er, seufzte tief und zufrieden und schlief ein.
23. KAPITEL
Den größten Teil der Nacht verbrachte Lillian bei Marcus im Bett. Dann und wann wachte sie auf und fand sich umgeben von seinem warmen Körper und weichen Tüchern aus Leinen, Seide und Wolle. Ihre Liebe musste Marcus erschöpft haben, denn sie hörte keine Geräusche von ihm, und er bewegte sich auch kaum. Doch als der Morgen nahte, erwachte er als Erster. Lillian, die fest schlief, protestierte, als er sie weckte.
„Der Tag bricht gleich an“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Mach die Augen auf. Ich muss dich in dein Zimmer bringen.“
„Nein“, sagte sie benommen. „In ein paar Minuten. Später.“ Sie versuchte, sich wieder in seine Arme zu schmiegen. Im Bett war es so warm, und die Luft war kalt. Sie wusste, der Boden würde sich unter ihren Füßen wie Eis anfühlen.
Marcus küsste ihren Scheitel und richtete sie zum Sitzen auf. „Jetzt“, beharrte er und strich kreisförmig über ihren Rücken. „Das Mädchen wird schon auf sein und die Feuer entzünden, und viele der Gäste wollen heute Morgen auf die Jagd gehen, was bedeutet, dass sie früh aufstehen werden.“
„Eines Tages“, sagte Lillian verstimmt und schmiegte sich an seine breite Brust, „wirst du mir erklären müssen, warum Männer ein so unheiliges Vergnügen daran finden, vor Tagesanbruch über schlammige Felder zu stapfen, um kleine Tiere zu töten.“
„Weil wir uns gern mit der Natur messen. Und was noch wichtiger ist, es gibt uns eine Entschuldigung dafür, vor dem Mittag zu trinken.“
Lächelnd schmiegte sie sich an seine Schulter und strich mit den Lippen über seine glatte Haut. „Mir ist kalt“, flüsterte sie, „komm mit mir unter die Decke.“
Marcus stöhnte im Angesicht einer solchen Versuchung und zwang sich, das Bett zu verlassen. Sofort kroch Lillian unter die Decken und zog die weichen Falten von Marcus’ Hemd fester um ihren Körper. Doch gleich darauf war er wieder da, vollkommen angekleidet, und zog sie heraus. „Jammern nützt nichts“, sagte er und hüllte sie in einen seiner Hausmäntel. „Du gehst jetzt zurück in dein Zimmer. Um diese Stunde darfst du dich mit mir nicht zeigen.“
„Hast du Angst vor einem Skandal?“, fragte sie.
„Nein. Bloß liegt es in meiner Natur, mich, wann immer es möglich ist, diskret zu verhalten.“
„Was für ein Gentleman“, spottete sie und hob die Arme, damit er den Gürtel des Hausmantels verknoten konnte.
„Du solltest ein ebenso diskretes Mädchen heiraten.“
„Die sind aber nicht halb so unterhaltsam wie die schlimmen Mädchen.“
„Bin ich das?“, fragte sie und legte die Arme um seine Schultern. „Ein schlimmes Mädchen?“
„O ja“, sagte Marcus leise und küsste sie.
Daisy erwachte von einem kratzenden Geräusch an der Tür. Als sie die Augen ein Stück weit öffnete, erkannte sie, dass es noch früh am Morgen war und dass ihre Schwester am Frisiertisch saß und sich das Haar ausbürstete. Sie setzte sich auf, strich sich das eigene Haar zurück und fragte: „Wer könnte das sein?“
„Ich werde nachsehen.“ Lillian, die bereits einen dunkelroten Hausmantel trug, ging zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Soweit Daisy sehen können, stand ein Hausmädchen vor der Tür mit einer Nachricht. Ein leise geführtes Gespräch folgte, und obwohl Daisy nicht jedes Wort verstand, hörte sie in der Stimme ihrer Schwester leichte Überraschung und einen Anflug von Ärger. „Na gut“, sagte Lillian knapp. „Sag ihr, ich werde es tun. Obwohl ich für all diese Heimlichtuerei keinen Grund sehe.“
Das Hausmädchen verschwand, und stirnrunzelnd schloss Lillian die Tür.
„Was ist?“, fragte Daisy. „Was hat sie dir gesagt? Wer hat sie geschickt?“
„Es war nichts“, erwiderte Lillian und fügte spöttisch hinzu. „Ich darf es nicht sagen.“
„Ich habe etwas von Heimlichkeiten gehört.“
„Oh, es ist nur eine lästige Angelegenheit, um die ich mich kümmern muss. Ich werde es dir später am Nachmittag erklären – zweifellos werde ich eine sehr
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