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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Countess ihr außer dem Tod alles Schlechte wünschte – und vielleicht nicht einmal davor haltmachte. Doch statt zurückzuweichen, zu weinen oder zu protestieren, ging Lillian zum Gegenangriff über. „Vielleicht will er mich heiraten, um gegen Sie aufzubegehren, Mylady. In diesem Fall wird es mich entzücken, ihm zu Diensten zu sein.“
    Die Countess riss die Augen weit auf. „Wie können Sie es wagen!“, stieß sie hervor.
    Obwohl Lillian gern noch mehr gesagt hätte, fürchtete sie, der Schlag würde die Countess treffen. Und ihr ging der Gedanke durch den Kopf, dass es kein guter Anfang für die Ehe mit einem Mann war, wenn sie seine Mutter umbrachte. Sie schluckte also alle weiteren bösen Worte herunter und sah die Countess aus zusammengekniffenen Augen an. „Ich denke, damit haben wir unsere Positionen klargemacht. Obwohl ich gehofft hatte, dieses Gespräch würde anders ausgehen, nehme ich an, dass die Neuigkeit für Sie ein Schock war. Vielleicht werden wir uns mit der Zeit etwas besser verstehen.“
    „Ja, das werden wir.“ In der Stimme der älteren Frau lag ein Unterton, der Lillian um ein Haar veranlasst hätte, einen Schritt zurückzuweichen, als sie den boshaften Ausdruck im Gesicht der anderen sah. Ihr wurde plötzlich kalt und übel wegen des hässlichen Wortwechsels, und sie wollte nichts weiter als so weit wie möglich von hier weg sein. Aber die Countess kann mir nichts antun, solange Marcus mich haben will, erinnerte sie sich.
    „Ich werde ihn heiraten“, sagte sie ruhig, in dem Bedürfnis, ihren Standpunkt deutlich zu machen.
    „Nur über meine Leiche“, flüsterte die Countess. Sie erhob sich, ergriff ihren Stock und stützte sich auf ihn, um das Gleichgewicht zu wahren. Als sie sah, wie gebrechlich die Frau war, wäre Lillian beinahe zu ihr gegangen, um ihr zu helfen. Doch die Ältere sah sie so verächtlich an, dass sie sich zurückhielt und fast damit rechnete, dass man mit dem Stock nach ihr schlug.
    Die Morgensonne begann, den zarten Nebelschleier über dem Garten der Schmetterlinge zu durchdringen, und ein paar bunte Insekten entfalteten ihre Flügel und flatterten über den halb geöffneten Blütenkelchen. Es war ein so schöner Ort und eine so unpassende Umgebung für den bösen Wortwechsel, der hier stattgefunden hatte. Lillian folgte der älteren Frau, die langsam zum Ausgang schritt.
    „Lassen Sie mich Ihnen die Tür öffnen“, bot Lillian an. Majestätisch wartete die Countess ab, bevor sie die Schwelle des Schmetterlingsgartens überquerte. „Wir hätten uns an einem weniger abgelegenen Ort treffen können“, konnte Lillian sich nicht verkneifen zu sagen. „Schließlich hätten wir genauso gut auch im Haus streiten können, dann hätten Sie nicht so weit gehen müssen.“
    Ohne sie zu beachten, ging die Countess weiter. Und dann sagte sie etwas Merkwürdiges und drehte sich nicht um dabei, sondern sprach zur Seite gewandt, als richtete sie ihre Bemerkung an jemand anderen. „Sie können anfangen.“
    „Mylady?“, fragte Lillian verwirrt und wollte den versteckten Garten ebenfalls verlassen.
    Plötzlich geschah alles ganz schnell. Sie bemerkte eine Bewegung und wurde grob von hinten gepackt. Ehe sie sich rühren oder etwas sagen konnte, presste jemand ihr etwas auf Mund und Nase. Angsterfüllt riss sie die Augen auf und versuchte verzweifelt zu atmen. Das Ding auf ihrem Gesicht, gehalten offenbar von einer großen Hand, war mit einer süßlichen Flüssigkeit getränkt, die ihr jetzt in die Nase stieg, in die Kehle, die Brust, den Kopf …
    Allmählich sank sie nieder: Erst fühlte sie nichts mehr in den Armen und Beinen, dann begann die Finsternis, sie zu umfangen, und sie schloss die Augen, als sich die Sonne verdunkelte.
    Marcus kehrte gerade von einem späten Frühstück zurück, das nach der morgendlichen Jagd in einem Pavillon am Seeufer serviert worden war, und blieb an der großen Treppe auf der Rückseite des Hauses stehen. Ein Mitglied der Jagdgesellschaft, ein älterer Herr, seit fünfundzwanzig Jahren ein Freund der Familie, hatte ihn angesprochen, weil er sich über einen der anderen Gäste beklagen wollte. „Er hat außer der Reihe geschossen“, empörte sich der ältere Herr. „Nicht einmal oder zweimal, sondern dreimal! Und um alles noch schlimmer zu machen, hat er behauptet, einen der Vögel erlegt zu haben, die ich geschossen hatte. Niemals in all den Jahren, in denen ich auf Stony Cross Park zur Jagd war, ist mir ein solch unglaubliches

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