Herbstfeuer
plappern, als sie ihre Begegnung mit Lady Westcliff im Garten der Schmetterlinge schilderte und all das erklärte, was danach geschah. Sie schien sehr aufgeregt zu wirken, denn hin und wieder unterbrach Marcus ihren Wortschwall mit ein paar beschwichtigenden Bemerkungen, aber er war interessiert und unendlich sanft. Dann küsste er ihr Haar, und sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Kopf.
Allmählich entspannte sie sich, ihre Glieder fühlten sich schwerer und schwerer an.
„Wie konntest du die Countess so schnell zu einem Geständnis überreden?“, fragte sie. „Ich dachte, sie würde tagelang durchhalten. Würde sie nicht eher sterben als zugeben, dass …?“
„Ich fürchte, genau diese Möglichkeit habe ich ihr ebenfalls angedroht.“
Sie machte große Augen. „Oh“, flüsterte sie. „Es tut mir leid, Marcus. Schließlich ist sie deine Mutter.“
„Nur im biologischen Sinne“, erwiderte er sachlich. „Bisher habe ich noch nie die Zuneigung eines Sohnes ihr gegenüber empfunden, und falls das je der Fall gewesen wäre, so hätte sich das von heute an sicherlich geändert.
Ich denke, sie hat für ihr Leben genug Schaden angerichtet. Von nun an soll sie in Schottland bleiben, oder vielleicht auch irgendwo im Ausland.“
„Hat die Countess dir gesagt, was zwischen uns besprochen wurde?“
Marcus schüttelte den Kopf. „Sie sagte mir, du hättest beschlossen, mit St. Vincent durchzubrennen.“
„Durchzubrennen?“, wiederholte Lillian entsetzt. „Als ob ich freiwillig – als hätte ich ihn bevorzugt …“ Entsetzt hielt sie inne, weil ihr klar wurde, wie er sich gefühlt haben musste. Obwohl sie den ganzen Tag über noch keine einzige Träne vergossen hatte, war die Vorstellung, dass Marcus auch nur für den Bruchteil eines Augenblicks geglaubt haben könnte, noch eine Frau habe St. Vincent ihm gegenüber den Vorzug gegeben – es war zu viel. Sie begann zu schluchzen, so heftig, dass es sie selbst ebenso sehr erschreckte wie Marcus. „Das hast du doch nicht geglaubt, oder? O bitte, sag, dass du es nicht geglaubt hast!“
„Natürlich nicht.“ Erstaunt sah er sie an und griff hastig nach einer Serviette, um ihr die Tränen abzuwischen.
„Nein, nein, nicht weinen …“
„Ich liebe dich, Marcus.“ Sie nahm ihm die Serviette weg, schnäuzte sich und sagte unter noch mehr Tränen: „Ich liebe dich. Es macht mir nichts aus, es dir zuerst zu sagen, vielleicht sogar als Einzige. Du sollst einfach nur wissen, wie sehr …“
„Ich liebe dich auch“, sagte er mit belegter Stimme, „ich liebe dich auch. Lillian – bitte weine nicht. Das bringt mich um. Nicht.“
Sie nickte und schnauzte sich ein weiteres Mal. Ihr Gesicht war gerötet, ihre Augen waren verquollen, und ihre Nase lief ohne Unterlass. Doch wie es schien, war Marcus’ Blick getrübt. Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, küsste sie mitten auf den Mund und sagte zärtlich: „Du bist so wunderschön.“
Diese Erklärung, so ernsthaft sie auch gemeint war, brachte sie zum Lachen. Marcus umarmte sie so fest, dass er sie beinahe erdrückte, und sagte leise: „Meine Geliebte, hat dir noch nie jemand gesagt, dass es unhöflich ist, über einen Mann zu lachen, wenn er sich dir gerade erklären will?“
Ein letztes Mal schnäuzte sie sich die Nase. „Ich fürchte, ich bin ein hoffnungsloser Fall. Willst du mich trotzdem heiraten?“
„Ja. Auf der Stelle.“
Das erschreckte sie so sehr, dass sogar ihre Tränen versiegten. „Wie bitte?“
„Ich will nicht mit dir nach Hampshire zurückkehren. Ich werde dich nach Gretna Green bringen. Dieses Gasthaus hat einen eigenen Kutschendienst – morgen früh werde ich eine mieten, und übermorgen werden wir in Schottland sein.“
„Aber – aber jeder wird eine ordentliche Hochzeit in der Kirche erwarten.“
„Ich kann nicht länger auf dich warten. Und auf Ordnung pfeife ich.“
Zaghaft breitete sich ein Lächeln auf Lillians Gesicht aus, während sie sich vorstellte, wie viele Menschen ein solcher Satz erstaunen würde. „Das klingt nach einem Skandal, weißt du. Der Earl of Westcliff brennt nach Gretna Green durch, um in der Schmiede zu heiraten …“
„Dann fangen wir eben mit einem Skandal an.“ Er küsste sie, und mit einem leisen Seufzer schmiegte sie sich an ihn, bis sie miteinander zu verschmelzen schienen und ihre Lippen eins wurden. „Sag: Ja, Marcus“, drängte er.
„Ja, Marcus.“
Er sah sie an, und seine Augen wirkten tief dunkel und
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