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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Montforter Weg 7.«
    »Zu Sorges Villa?« Schremmer war nicht sehr überrascht. »Was ist
passiert?«
    »Keine Ahnung. Gudrun Sorge hat grad bei uns angerufen. Sie wollte
sich mit Jacobi verabreden, als die Verbindung unterbrochen wurde. Und wehe,
Sie sagen, dass ich Ihnen das gesteckt habe! Jacobi ist in solchen Dingen
furchtbar pingelig.«
    »Wenn Sie versprechen, mit mir auszugehen, schweige ich wie ein
Grab. Außerdem hätte ich spätestens auf der Morzger Straße ohnehin erraten,
wohin wir fahren. Also keine Sorge wegen Sorge! Er ist übrigens auch mein
Favorit. Gemeinsam mit Nilson. Einer von beiden ist der Alpha-Führer der Sökos,
vielleicht ja auch beide. Wie ich gehört habe, ist Nilson abgetaucht?« Er bog
in die Buchholzhofstraße, eine Verbindung zur Morzger Straße, ein.
    »Woher wissen Sie das schon wieder?«
    »Ich sagte Ihnen doch, ich höre ab und zu den Funkverkehr meiner MEK -Bewacher mit.«
    »Und warum kommen die Rottensteins und Bernd Vogt für Sie nicht in
Frage? Halten Sie noch immer essenzielle Infos zurück?«
    »Unsinn! Der versoffene Rottenstein entspricht doch überhaupt nicht
dem Täterprofil, auch wenn er allen Grund hätte, die AIC wieder auf Vordermann zu bringen. Und Vogt ist zu cool und zu clever, um ein so
infernalisches Projekt wie die Sökos nicht in einer Katastrophe enden zu sehen.
Geht man davon aus, dann stellt sich die Frage nach einer Täterschaft Phrynes
erst gar nicht. Vogt hätte nie zugelassen, dass sie sich auf diesen Horror
einlässt.«
    »Aber grundsätzlich würden Sie ihr die Idee zutrauen, oder?«
    »Sie ist ein durch und durch eiskaltes Luder, ja«, räumte Schremmer
ein. »Aber eine Massenmörderin? Nein, das passt nicht zu ihr. Erstens ist sie
zu jung. Bei der Gründung des Sökos-Projekts war sie circa einundzwanzig und
hatte nicht das Pouvoir wie heute. Zweitens ist das Motiv ›Firmenerhalt um
jeden Preis‹ auf sie nicht anwendbar. Natürlich hält auch sie Anteile an der AIC und will die Firma retten, aber sie hängt nicht auf
Gedeih und Verderb an ihr wie etwa Sorge oder Nilson. Und im Gegensatz –«
    »Die Frage nach dem Motiv lassen wir mal lieber beiseite«, sagte
Kotek, die sich in diesem Moment gegen das Fußblech stemmte. Schremmer hatte
sich durch ein gewagtes Überholmanöver näher an den Quattro herangeschoben.
»Wir haben es mit einem Psychopathen zu tun, dessen Beweggründe für uns
sogenannte Normalos ohnehin nicht nachvollziehbar sind.«
    »Sie haben mich nicht ausreden lassen. Ich wollte sagen: Im
Gegensatz zu der AIC ist Phrynes Zukunft
gesichert. Ihr Privatvermögen ist gut angelegt, und wenn sie Leo Piritz das
Jawort geben sollte, hätte sie ausgesorgt. Leos Manpowerist
mindestens so viel wert wie die Rottenstein’schen Rücklagen. Er ist ein Parvenu
aus der steirischen Provinz, aber er hat es geschafft. Mit achtunddreißig
Vizepräsident der OSTBAU , einer äußerst potenten
Kapitalgesellschaft. Das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Einem wie ihm
fehlt nur mehr der ganz große Deal und die Akzeptanz der Upperclass. Durch die
Heirat mit Phryne fliegt ihm unter Umständen beides zu.«
    »Und Sie meinen, er würde sie auch dann heiraten, wenn es bei der AIC in allen Fugen kracht?«
    Schremmer lachte. »Natürlich. Außerdem geht wegen einer allfälligen AIC -Pleite nicht die ganze ANUBIS   AG in die Binsen. Krachen wird es allerdings gehörig,
da haben Sie recht. Schauen Sie mal in den Rückspiegel!«
    »Oh nein, Conte! Na, gute Nacht! Das wird Schlagzeilen geben.
Gestern hat er uns noch auf dem AIC -Event
gesehen, und heute rasen wir zur Villa des AIC -Vize.«
    ***
    Unmittelbar nach der Ortschaft Morzg bog Jacobi nach rechts in
den Montforter Weg ein und schaltete die Sirene ab. Die Geschwindigkeit
drosselte er nicht, denn bis zum Haus Nummer 7 in der Nähe des Montforter
Hofs waren es noch einige Kilometer. Jede Minute, jede Sekunde, die er früher
eintraf, konnte Gudrun Sorges Leben retten.
    Unsinn! Er schalt sich selbst einen Heuchler. Er raste so, weil er
ihren Mörder erwischen wollte.
    Sorges Besitz lag traumhaft: unweit des Waldrands, mit Anbindung an
die Straße, trotzdem weit und breit ohne Nachbarschaft. Der nächste Nachbar war
Leo Piritz mit einigem Abstand. Mehr als zwei Hektar Grund waren von einer
meterhohen Ziegelmauer umfriedet, deren Errichtung allein vermutlich so viel
gekostet hatte wie mehrere Einfamilienhäuser.
    Jacobi hielt in der Nähe der Einfahrt an. Das automatische
schmiedeeiserne Tor stand offen.

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