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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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beeilen,
wollte er das Jagdhaus rechtzeitig erreichen.
    Siebzehn Uhr fünfzehn.
    Wenn der Geländewagen tatsächlich ins Innergebirg unterwegs war,
hatte er mindestens eine Stunde Vorsprung. Auf der Autobahn und auf der
Salzachtal-Bundesstraße konnte er mit den grobstolligen Reifen problemlos über
hundert Stundenkilometer schnell fahren, und auf verschneiten Forststraßen war
er ohnehin jedem Pkw überlegen.
    »Der Teufel hält eben zu seinen Leuten«, knurrte Jacobi grimmig.
Wieder unterdrückte er den Impuls, langsamer zu fahren, die Alpingendarmerie
anzurufen oder Weider ins Vertrauen zu ziehen. Was hätte es gebracht, jemanden
hinaufzuschicken oder Jutta Dietrich übers Telefon zu warnen? Sie hätte ihm nie
und nimmer geglaubt.
    Nicht zuletzt war da aber noch dieser letzte Rest an Ungewissheit.
Die Angst, sich doch geirrt zu haben und hinterher als der Blamierte
dazustehen.
    Auf Höhe Bischofshofen läutete das Autotelefon. Jacobi drückte die
Lautsprechertaste. Weider war dran.
    »Oskar, wo treibst du dich rum? Melanie hat mich angerufen. Sie hat
Angst um dich, besser gesagt: Sie hat Angst vor einem deiner berüchtigten
Alleingänge. Bist du auf eine Spur von Nilson gestoßen?«
    »Nicht direkt«, antwortete Jacobi ausweichend. »Aber Schremmer ist
verschwunden, wie du ja inzwischen wissen wirst. Und vermutlich schwebt auch
Jutta Dietrich in Lebensgefahr.«
    »Jetzt noch?« Weider konnte seine Skepsis nicht verhehlen,
verzichtete jedoch auf Anzüglichkeiten. »Warum glaubst du das?«
    »Ich fürchte, Schremmer hat uns ein allerletztes Atout vorenthalten.
Und eben damit hat er überreizt.«
    »Du meinst, er lebt nicht mehr?«, fragte Weider entsetzt.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, ja. Hat die Spusi in seinem Haus
was gefunden?«
    »Falls du offensichtliche Spuren einer Gewalttat meinst, nein. Alles
andere braucht seine Zeit. Aber vielleicht hilft es dir weiter, wenn ich dir
die Einvernahme Sorges überspiele? Leo und ich durften fünfzehn Minuten zu ihm
rein.«
    »Jetzt auf einmal? Außerdem hat Stubi gesagt, du seist auf dem
Heimweg.«
    »War ich ja auch, als ein Arzt aus dem LKH anrief. Wenn wir Sorge vernehmen wollten, müssten wir das rasch tun. Er sei im
Moment ansprechbar. Die eupathische Phase vor dem Exitus. Er wird den nächsten
Tag nicht mehr erleben. Also habe ich Leo aus dem Bett geklingelt und bin ins LKH gerast. Ich sag dir, als ich Sorge da auf der
Intensivstation hab liegen sehen, ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen.
Die Zahl der von ihm in den Tod Geschickten macht einen einfach fertig. Du fühlst dich nicht nur ohnmächtig, du bist es. Weißt nicht, wie du an einen so abstrakten Tatbestand herangehen sollst.
Wir hätten so viele Fragen auf den Lippen gehabt, über seine Beweggründe und
was er sich dabei gedacht hat, mussten uns aber aufs Dringlichste beschränken.
Der verantwortliche Arzt hat uns nur eine Viertelstunde bewilligt, uns aber
wenigstens die ersten Minuten mit ihm allein gelassen.«
    Weider schaltete die Aufnahme zu. Vorweg hörte man Feuersang die
Kenndaten zur Einvernahme sprechen, bevor er gleich mit der wichtigsten Frage
begann: »Herr Dr. Sorge, wir haben bei Rottensteins Leiche eine Diskette
gefunden. Darauf sind – ich tu mich schwer, es auszusprechen – etliche hundert
Morde dokumentiert. Ich frage Sie nun: Haben Sie diese Morde in Auftrag
gegeben?«
    »Ja, hab ich«, kam es leise, aber verständlich zurück. Es war
eindeutig Lysander Sorges Stimme, Jacobi erkannte sie sofort. Danach folgte
Stille. Das prompte Geständnis hatte Feuersang wohl regelrecht erschlagen.
    Mit beträchtlicher Verzögerung schloss sich seine nächste Frage an:
»Wie ist einem zumute, wenn man so viele Menschenleben auf dem Gewissen hat,
Herr Doktor?«
    »Herr – äh …?«
    »Feuersang, Abteilungsinspektor Leo Feuersang.«
    »Herr Inspektor, beschränken Sie sich bitte auf Fragen, die für den
Abschluss Ihrer Ermittlungen wichtig sind. Ich bin weder scharf darauf, noch
hab ich die Kraft, die ethischen Aspekte meines Tuns mit Ihnen zu diskutieren.
Nicht in einer Welt, in der es sich die good guys richten und die bad guys , die letztlich Schwächeren,
die Zeche zahlen. Der Mensch war seit jeher ein kannibalischer Jäger – immer
bereit, seine Artgenossen zu töten, um sich selbst Ressourcen zu sichern. Mehr
werde ich dazu nicht sagen. Sollten Sie das nicht akzeptieren, so ist unser
Gespräch hiermit beendet.«
    »Schon gut, ich werde Sie nur das Allernötigste fragen«,

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