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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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zum Forstweg vorgewühlt. Die Spurrillen
seiner Anfahrt waren kaum noch zu erkennen. Im Rückspiegel beobachtete er, wie
sich der Mercedes in Bewegung setzte.
    »Was kann uns jetzt noch passieren?«, fragte sie mit starrem Blick.
»Mit dem Quattro bist du doch viel schneller als er mit dem schweren
Geländewagen.« Sie steigerte sich zusehends in eine Euphorie hinein, für die
nicht der geringste Anlass bestand.
    »Jutta, wir sind nicht auf der Landstraße oder auf der Autobahn. Hier
heißt es, auf den Geraden nicht aufzuschwimmen und abzufliegen und in den
Kehren nicht hängen zu bleiben, und in diesen Disziplinen ist uns Piritz mit
seiner hochbeinigen Karre haushoch überlegen.« Er war absichtlich barsch
gewesen. Sie musste sich auf neuen Stress einstellen. Besser, sie heulte jetzt
und klappte dafür in den entscheidenden Momenten nicht zusammen. Aber Jutta
Dietrich blieb cool.
    Jacobi schämte sich für seinen Chauvinismus. Wie viele Männer hätten
an Juttas Stelle in der letzten halben Stunde wohl das Richtige getan – so wie
sie? Und wie viele von ihnen wären kläglich gescheitert?
    ***
    Das Gefälle der schmalen Straße nahm zu, aber der Quattro kam
trotz hoher Schneelage gut voran. Piritz folgte in einigem Abstand. Zweifellos
konnte er einen Wagen nicht so an die Grenzen des Möglichen heranführen wie
Jacobi, aber er hatte das geeignetere Fahrzeug zur Verfügung – und war ein
nicht ungeübter Offroadfahrer. Die Gejagten registrierten seine Fähigkeiten mit
wachsender Angst.
    Piritz wusste um seine Vorteile. Die Kehren stellten das größte
Problem für den Quattro dar. Schon auf der Anfahrt hatten sie Jacobi zu
schaffen gemacht. Bis zur Seidlwinklstraße hinunter waren es insgesamt acht, er
hatte sie gezählt. Es würde schon genügen, wenn es ihm auch nur in einer der acht misslang, den Wagen mit optimalem Drive um
die Kurve zu zirkeln. Vier angetriebene Räder würden sich unter Umständen
rascher eingraben als zwei, Piritz würde ein Scheibenschießen veranstalten und
ihre Leichen anschließend in dem bewussten Moorloch in der Klausen versenken.
    Aber auch er hatte viel zu verlieren. Seine Freiheit, vielleicht
sogar das Leben – zumindest jenes, das er sich mit großer Skrupellosigkeit
aufgebaut hatte. Die Anspannung würde ihren Tribut fordern. Schon oben am
Jagdhaus hatte er unnötige Fehler gemacht. Um weitere zu provozieren, war
Jacobi nun seinerseits gezwungen, mit größtem Risiko zu fahren. Bei dreißig
Zentimeter Neuschnee der helle Wahnsinn. Dagegen war die Anfahrt der reinste
Spaziergang gewesen. Auf den langen Transversalen drohte ständig die Gefahr des
Abflugs – über die extrem steile Böschung hinein in die Bäume.
Richtungskorrekturen durften nur mit Lenkrad und Gaspedal vorgenommen werden,
der Tritt auf die Bremse konnte tödlich sein.
    »Siehst du die Decke im Fond?«, fragte er, während er den Wagen an
einer abschüssigen Stelle gerade noch einfangen konnte. »Reib dir damit die
Füße so lange, bis du wieder etwas spürst. Hör ja nicht eher auf.«
    Vorläufig machte sich das Risiko bezahlt. Der Geländewagen fiel
zurück, obwohl er auf ausgespurtem Geläuf folgen konnte. Doch jetzt kam die
erste Kehre.
    Zum Anstellen war eigentlich kein Platz, trotzdem schlenzte Jacobi
das Hinterteil des Quattro mit Gas und Handbremse durch die Kurve. Die
seitlichen Fliehkräfte brachten den Wagen fast zum Stillstand, ein kritischer
Augenblick.
    »Brav, mein Alter. Gut gemacht.« Jutta wusste nicht, ob Jacobi damit
sich selbst oder den Quattro meinte. Sie knetete ihre Füße hektischer, so als
könnte sie den Rädern dadurch mehr Grip verschaffen. Unendlich langsam – ihrem
Empfinden nach – nahm der Wagen wieder Fahrt auf.
    Jacobi beschleunigte keinen Augenblick zu früh. Auch Piritz näherte
sich bereits der Kurve und versuchte quer über die Böschung hinunter einen
Glücksschuss zu setzen. Eine Kugel streifte das Dach des Quattro. Jutta
bemerkte ihn gar nicht, so beschäftigt war sie damit, die Blutzirkulation in
Händen und Füßen wieder in Gang zu bringen.
    »Spürst du was?«, fragte Jacobi. Die Heizung war auf das Maximum
eingestellt. Trotz der kleinen Einschusslöcher in den Fensterscheiben begann
sich die Luft im Wageninneren zu erwärmen.
    »In den Händen habe ich wieder Gefühl, es sticht grauenhaft. Aber
meine Füße sind noch immer taub.« Ihre Stimme klang spröd. Jacobi ahnte, dass
zu ihrer Angst vor Piritz nun noch eine andere, ebenso schreckliche hinzukam.
Jutta war

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