Herbstfrost
gibt’s Neues?«
»Hallo, Bernd! Du bist wieder zu Hause?«
»Ja, aber ich hab eben mit Sarah telefoniert. Sie kommt morgen
ebenfalls nach Salzburg. Übermorgen wird im Palais Auerspach ein Firmenjubiläum
gefeiert, und ich hab sie eingeladen, mich zu begleiten.«
»Zur Fünfzig-Jahr-Feier der ANUBIS Insurance Company?«
Vogt lachte leise. »Bist ja wieder gut informiert. Übrigens bin ich
auf diesem Event nicht etwa nur als Anhängsel meines Schwiegersohns zugange. Du
weißt ja, dass ich noch Konsulent für Sicherheitsfragen bei der ANUBIS AG bin, damit
mir im Ruhestand nicht fad wird. Julius hat mir den Job vor einigen Jahren
zugeschanzt.«
»Kann mich dunkel erinnern, ja.«
»In dieser Eigenschaft bin ich auch Sicherheitsbeauftragter der
Veranstaltung.«
»Was hat ein solcher Sicherheitsbeauftragter eigentlich zu tun?«
»Wenig. Sicherheitssysteme abklopfen, Schwachstellen aufzeigen, das
Security-Personal überprüfen und andere Checks. Die eigentliche Arbeit macht
der Chef des Werkschutzes, ich geb nur meinen Sanctus zu seinen Entscheidungen.
Aber warum fragst du? Hat Waschhüttl dir endgültig den Nerv gezogen, und du
suchst jetzt einen Job in der Security-Branche?« Vogt wieherte vor Vergnügen
über seinen Witz.
»Lach nur, so weit liegst du gar nicht daneben. Waschhüttl hat mich
heute beurlaubt – und weitere Maßnahmen angedroht, falls ich mich in Zukunft
nicht kooperativer verhalte. Der Kotzbrocken will mich scheibchenweise
abmontieren. Aber meine Frage hat einen anderen Grund. Kotek, Redl und ich
würden übermorgen gern an dieser Jubiläumsfeier teilnehmen, am besten als
Security-Leute, wenn sich das machen ließe.«
»Warum denn das? Ich meine … es ließe sich schon machen, aber …«
»Bernd, ich muss dir etwas sehr Unangenehmes sagen«, unterbrach ihn
Jacobi. Er hatte sich vorgenommen, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, konnte
sich nun aber nicht mehr zurückhalten: »Eine Spur der Sökos führt direkt zur AIC .«
Vogt antwortete lange nicht, dann sagte er leise: »Nein. Das ist
unmöglich.«
»Doch, Bernd, es ist so. Ich konnte dir das nicht ersparen. Kriegen
wir diese Jobs nun oder nicht?«
»Natürlich kriegt ihr sie. Aber … das mit den Sökos, das ist doch
nur ein dummer Scherz, oder?« Seine Stimme zitterte.
»Nein, das ist bitterer Ernst. Die AIC ist Nutznießerin von über achtzig Prozent der von Schremmer untersuchten
exemplarischen Todesfälle. Eine Größenordnung, die weit über eine zufällige
Übereinstimmung hinausgeht. Aber das muss ich dir nicht sagen.«
»Mann, das ist … das ist … Was für ein Alptraum! Weißt du, was du
mit solchen Behauptungen anrichtest? Was das für meinen Schwiegersohn und für
meine Enkelin bedeutet, wenn das publik wird?« Vogt wurde immer aufgebrachter.
»Beruhig dich, von uns wird niemand den Namen erfahren. Ganz sicher
nicht. Aber ebenso sicher betreibt jemand über die AIC ein äußerst makabres Geschäft. Und zwar mit der Ermordung alter Leute! Vergiss
das nicht, Bernd! Du selbst hast ja die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Wo
müssen wir uns melden, um als Security-Leute eingestellt zu werden?«
Jacobi musste die Frage wiederholen, ehe Vogt geistesabwesend
antwortete: »Komm morgen Nachmittag zu mir. Sagen wir um fünf. Ich stell dir
dann die Legitimationen aus. Du hast doch einen Smoking, oder? Der oder ein
Frack sind übermorgen Pflicht.« Er legte grußlos auf.
***
Jacobi ließ das Gespräch im Geist noch einmal Revue passieren.
Vogt war ohne Zweifel aus allen Wolken gefallen. Um Überraschung und Entsetzen
so authentisch simulieren zu können, hätte er Iffland-Ring-Träger sein müssen.
Aber auch Überraschung war kein Beweis für Unschuld. Jeder Söko hätte auf diese
Eröffnungen ähnlich entsetzt reagiert. Außerdem war Vogt ungewohnt nervös
gewesen. Aus Sorge um seine Enkelin, hätte man zu seiner Verteidigung anführen
können, aber seine Nervosität konnte auch einen anderen Grund gehabt haben. Wer
konnte ihn, Jacobi, besser einschätzen als er, der aus ihm den mit allen
Wassern gewaschenen Kiberer gemacht hatte, den unbeirrbaren, niemals
aufgebenden Terrier, der in manchen Funktionärsbüros und Amtsstuben noch
unbeliebter war als in den Hochsicherheitstrakten der Vollzugsanstalten?
Jacobi blickte in den Rückspiegel. Schon seit er in die Alpenstraße
eingebogen war, hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Auf der
meistfrequentierten Ausfallstraße Süd herrschte ein für die Tageszeit
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