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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Fleischwurst und Hamburgerrestaurants kann sie von ihrem genetischen
Code abbringen. Und diskussionslustige Partnerinnen erst recht nicht. Zack, wumm,
weiter geht’s. Sie nennen das ›Konzentration auf das Wesentliche‹ (im Gegensatz
zum ›sinnlosen Gelaber‹).
    Ich gebe
gern zu, dass das manchmal ganz praktisch sein kann (Außerdem ist es schön zu wissen,
dass mein lieber Dr. Andrees tief drinnen einfach ein Urmensch ist).
    Nun ist
es ja so, dass wir Frauen ebenfalls ein Gen aus den harten Höhlenmenschzeiten zurückbehalten
haben – allerdings eins, dass tausendmal gemeiner ist. Unser Körper speichert Fett
für Notzeiten – vornehmlich an Bauch, Po und Hüften! Und das, obwohl es sich heutzutage
in Tiefkühlpizza und Dosenravioli viel praktischer aufbewahren lässt. Mist!
    Davon abgesehen
haben wir uns jedoch erheblich weiterentwickelt.
    Im Gegensatz
zu unseren Männern denken wir nämlich nach, wägen ab und sind vorausschauend. Kurz:
berechnend! Mal ehrlich: Es ist viel schöner, nach einem Streit kultiviert zu schmollen
und ihm die kalte Schulter zu zeigen, bis er sich reumütig entschuldigt, als feiernd
und Probleme verdrängend mit anderen Urmenschen in einer Kneipe zu hocken und hinterher
so zu tun, als wäre nichts gewesen!
    »Bis Mittwoch,
mein Schatz«, unterbricht Basti meine Überlegungen.
    Nachdem ich (still) beschlossen habe, dass Frauen eindeutig
fortschrittlicher sind als Männer, ihm (laut) einen schönen Tag gewünscht und aufgelegt
habe, geht die Grübelei direkt wieder los.
    Wo steckt eigentlich Vicki? Wird mich Basti bald verlassen,
weil ich ihm nicht toll genug bin? Kann ein Arzt eine Schneiderin lieben, wenn er
stattdessen eine superschöne Ärztin haben kann? Und was ist mit mir und Leopold
Weidenhain? Seit ich ihm begegnet bin, befinde ich mich in einem seltsam angespannten
Zustand. Ich muss laufend an ihn denken.
    Ob er auch an mich denkt? Wenn ich es nicht besser wüsste,
würde ich glauben, ich hätte mich Hals über Kopf in ihn verknallt. Das geht doch
gar nicht. Ich liebe schließlich meinen Basti. Aber der liebt bestimmt noch … Und
so weiter!
     
    Vor einigen Tagen ist der Regisseur
mit meinen Entwürfen verschwunden.
    »Das sind
im Großen und Ganzen die Kostüme der Hauptpersonen«, staunte er, während wir im
Schraders saßen und er meine Zeichenmappe durchsah. »Das ist unglaublich. Wie bist
du auf die Ideen gekommen?«
    Ich wollte
nicht zugeben, dass ich seinen Namen und das Musical gegoogelt hatte. »Ich … ich
mag Vampirgeschichten«, sagte ich errötend. »Sie sind düster … zerstörerisch, aber
auch zart und sehr romantisch. Wenn ich Zeit habe, zeichne ich, und manchmal habe
ich eben Lust mir solche Sachen auszudenken.«
    »Genial«,
sagte er. »Ich bin beeindruckt!«
    Ich fing
vor Freude und Stolz beinahe an zu heulen. Es war alles so unglaublich, was gerade
geschah. Leopold Weidenhain und ich saßen eine Stunde zusammen. Er gab mir Kaffee
und Kuchen aus, ich rührte beides allerdings kaum an. Und das, obwohl ich sonst
weder an Latte macchiato noch an süßen Sachen vorbeikomme.
    Einer der
Schraders-Wirte, Jens, raunte mir ein »Sag mal, ist das etwa …?« zu, als ich während
des Treffens kurz Richtung Toilette verschwand, um mir ein bisschen kaltes Wasser
ins Gesicht zu spritzen.
    »Mmh«, nickte
ich. »Ist er.«
    Seit der
attraktive Regisseur in die Werkstatt getreten war, fühlte ich mich total benebelt.
Ich bekam nur mit Mühe mehr als drei zusammenhängende Worte heraus. Wenn ich so
weitermachte, würde ich ihn mit meiner Trotteligkeit vergraulen. Und dann wäre der
nächste tolle Mann aus meinem Leben verschwunden, und zwar bevor er überhaupt richtig
hineingetreten war.
    »Wie? Ich
meine, wo …?«, stammelte Jens.
    Ihm ging
es offensichtlich ähnlich wie mir. Leibhaftige Promis können einen ganz schön aus
der Fassung bringen. Obwohl man weiß, dass sie eigentlich auch nur Menschen sind.
    Das Wasser,
das ich mir nicht ins Gesicht spritzte, sondern schaufelte, tat mir gut. Zurück
am Tisch lächelte ich, fasste mir ein Herz und fing an (zuerst zögerlich, dann immer
begeisterter) von meinen Kostümen zu erzählen, erklärte ihm Schnitte, Auswahl der
passenden Stoffe und Accessoires. Jetzt war es Leopold, der wenig sagte, sondern
mich musterte und mehr oder weniger regungslos zuhörte. Mir war in diesem Moment
eigentlich alles egal. Entweder ich quasselte mich, blauäugig wie immer, um Kopf
und Kragen. Oder ihm gefiel, was ich mir ausgedacht hatte. Top

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