Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
dahergelaufenen
Kerl ihre Zeichnungen in die Hand. Klar, ich kenne Leopold Weidenhain kaum. Er mag
ein Frauenheld und sonst was sein. Aber er klaut keine Ideen. Das passt einfach
nicht zu ihm. Keine Ahnung, warum, doch ich bin mir sicher.
»Ich hatte
gar keine andere Wahl«, sage ich. »Was hättest du denn gemacht, Margret? Ich meine,
er ist ein Regisseur und überlegt, ob ich die Kostüme für sein Musical entwerfen
soll. Da muss ich ihm meine Arbeit ja wohl zeigen.«
Sie zuckt
die Schultern.
»Siehst
du, du hättest ihm deine Zeichnungen auch gegeben«, schlussfolgere ich.
»Ich zeichne
gar nicht.«
»Theoretisch!«
Ein bisschen
unruhig bin ich schließlich doch, denn in den nächsten beiden Tagen tut sich ebenfalls
nichts. Ich lebe wie in einer Blase, lasse emotional nichts an mich heran und verstecke
mich hinter meiner Arbeit, die zum Glück reichlich vorhanden ist.
*
Im Nu ist es Mittwoch geworden und
mein Abend mit Basti steht vor der Tür. Kurz bevor ich die Werkstatt verlasse, ruft
er an.
»Hi, Rosa,
du, wir treffen uns besser direkt am Kino«, sagt er. »Ich weiß nicht genau, wann
ich hier wegkomme.«
»Kein Problem«,
antworte ich.
Ich kenne
das bereits. Patienten sind unberechenbare Wesen. Meistens bleibt Basti länger im
Krankenhaus, als er eigentlich müsste.
Ich freue
mich auf den Film und (trotz aller Zweifel und Missverständnisse) auf meinen Freund.
Beides eine wunderbare Ablenkung von den endlosen Grübeleien.
»Ich freu
mich auf dich«, sagt Basti. »Und ich beeile mich, ja?«
»Bis dann!«
Als ich in die Wohnung komme, ist von Vicki noch immer keine
Spur zu sehen. Ich höre routinemäßig den Anrufbeantworter ab, gucke in meine Mails
und ob ich eine SMS von ihr habe. Nichts. Ich hänge in zwei blöden Endloswarteschleifen
fest. Langsam nervt mich das. Kann Vicki sich nicht denken, dass ich mir Sorgen
mache und wissen möchte, wo sie ist und wie es mit ihr weitergeht? Und Leopold Weidenhain?
Der verschwindet einfach mit meinem Lebenswerk und lässt dann ewig nichts mehr von
sich hören.
Die können
mich mal, die beiden. Heute will ich mich amüsieren. Also wische ich alle nervenden
Gedanken weg. Besser gesagt, ich spüle sie weg – in unserer schönen alten Löwenfußwanne,
mit viel duftender Rosenbadeessenz und einer Haarpackung für extra strahlendes Blond.
Kopfhörer in die Ohren. Pink hören. Und mitsingen, so laut es geht.
›Get this party started on a la la la la
Everybody’s waitin’ na na na na na
Sendin’ out the message to all of my friends
We’ll be lookin’ flashy in my Mercedes Benz …‹
Na bitte,
geht doch. Langsam steigt meine Stimmung wieder.
Nach dem
Bad creme ich mich von Kopf bis Fuß mit Grapefruit-Bodylotion ein und ziehe mir
einen weichfallenden schwarzen Neckholder-Overall an. Dazu meinen Neuzugang im Schuhregal
– Pumps im Leopardenlook mit Zwölf-Zentimeter-Absatz.
Dass mein
Outfit gelungen ist, merke ich schon auf dem Weg zur U-Bahn. Ich fühle mich … pink!
Ich bin
eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn am Kino. Das Wetter spielt mit und jede
Menge Leute flanieren durch die Straßen.
Nachdem
mich bereits die fünfte Männerhorde gefragt hat, ob ich nicht lieber mit ihnen mitgehen
möchte, als auf den Blödmann zu warten, der mich einfach allein herumstehen lässt,
fange ich an, mich nach Basti zu sehnen. Noch 20 Minuten bis Vorstellungsbeginn.
Na ja, jetzt
wird er gleich kommen.
Ich setze
mich auf einen Mauervorsprung und versuche, mich unsichtbar zu machen, damit ich
nicht aussehe wie bestellt und nicht abgeholt.
Und wenn
er nicht kommt?
Da klingelt
mein Handy. Es ist Basti.
»Hi, mein
Schatz«, rufe ich etwas zu aufgekratzt ins Telefon. »Ich bin schon am Kino.«
»Du, Rosa,
entschuldige, ich …«
»Du bist
knapp dran, das macht nichts.«
Er kommt
mit Sicherheit. Natürlich lässt er mich nicht einfach hier stehen. Er ist nur ein
kleines bisschen zu spät.
»Ich kann
hier nicht weg, Rosa. Es tut mir total leid.«
»Das ist
nicht dein ernst, oder?«
»Ich habe
dir doch von der Patientin mit dem riesigen Tumor im Gesicht erzählt … Die aus der
Ukraine.«
»Nein, hast
du nicht.«
»Wie bitte?
Das … das habe ich nicht?«
»Scheint
so, sonst wüsste ich es ja«, antworte ich schnippisch, obwohl ich höre, dass er
total zerknirscht ist.
»Sie ist
furchtbar entstellt. Eine Berliner Hilfsorganisation hat einen Teil des Geldes für
die OP gespendet. Toni und ich haben das interdisziplinäre Behandlungskonzept
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