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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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oder Flop? Ich hatte
keine Ahnung.
    Während
ich redete, fragte ich mich immer wieder ungläubig, ob das hier wirklich passierte.
Ich meine, saß ich tatsächlich mit einem Regisseur, der beinahe mal einen Oscar
gewonnen hätte, im Schraders und quatschte ihn voll? Zwar kannte ich Eva Andrees
und Vicki, die beide öfter in der Zeitung standen, persönlich. Und ich wusste natürlich,
dass Promis auch kleine Macken und Schönheitsfehler haben und morgens genauso zerknautscht
ins Bad tappen wie unsereins. Aber bei einem Mann, zumal einem so gut aussehenden,
war das Ganze viel aufregender. Vor allem, weil er mir direkt gegenübersaß und dabei
unentwegt in meine Augen sah.
    Leopold
Weidenhain gefiel mir, und zwar ohne Wenn und Aber. Dunkelblondes, leicht gewelltes
Haar, halblang und lässig in die Stirn frisiert und dazu (der Hammer!) braune Augen. Dunkle Augen zu blondem Haar, das hatte ich bei einem Mann noch nie gesehen.
Ich fand es atemberaubend. Wie Basti rasierte er sich offensichtlich nicht täglich.
Das stand ihm, denn es verlieh seinem schmalen, fast noch jungenhaften Gesicht einen
aufregenden, herb männlichen Zug. Natürlich hatte er diese schönen Colgate-Zähne,
die mir auf Fotos von ihm schon aufgefallen waren. Er war ziemlich groß und schlank.
Ein total gut aussehender Mann, verdammt noch mal!
    Und damit
nicht genug. Er hörte mir aufmerksam zu, nickte, fragte gelegentlich nach. Und gab
mir die ganze Zeit das Gefühl, dass er an meinen Lippen hing. Obwohl ich Rosa war,
die kleine, leicht verpeilte Schneiderin aus der Weddinger Malplaquetstraße. Nur
Rosa, mit ein paar verrückten Kostümideen und sonst nichts. Durch seine Aufmerksamkeit
fühlte ich mich plötzlich wunderbar.
    Jola und
Margret saßen am Nachbartisch, beobachteten uns und sagten keinen Ton. Meinetwegen
hätte in diesem Moment die Zeit stehen bleiben können.
    Erst später
fiel mir auf, dass keiner der vielen anwesenden Gäste zu uns an den Tisch getreten
war, um ihn anzusprechen. Obwohl viele neugierig guckten und ich mir sicher war,
dass einige ihn erkannten.
    »Ihr habt
ausgesehen, als wärt ihr ganz allein auf der Welt«, sagte Jens, als Leopold weg
war und er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Ich habe mich kaum getraut, euch
zu fragen, ob ihr etwas bestellen wollt. Woher kennst du den Typen so gut?«
    »Ich kenne
ihn eigentlich gar nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Er stand plötzlich im Laden,
weil er an einer Kundin ein Kleid von mir gesehen hat.«
    »Wow. Und?
Läuft was mit ihm?«
    »Wie jetzt?«,
fragte ich unsicher und merkte, dass ich rot wurde.
    »Na, die
Blicke waren ziemlich tihief!« Jens schmunzelte und stupste mich in die Seite.
    »Quatsch!
Er hat meine Zeichenmappe mitgenommen und meldet sich wieder. Vielleicht, ähm, will
er mit mir arbeiten.«
    »Also, das
ist ja ein Ding.«
    Die ganze
Zeit über liefen mir wohlige Schauer über den Rücken.
     
    Heute kann ich kaum glauben, dass
das alles wirklich passiert ist. Wahrscheinlich ist es das gar nicht. Diese ganze
Leopold-Weidenhain-Sache ist bestimmt ein Produkt meiner überschäumenden Fantasie.
    Aber wir
saßen zusammen im Schraders. Das habe ich bestimmt nicht geträumt!
    Meine Arbeit
lenkt mich halbwegs vom Grübeln ab. Ich ändere seit zwei Tagen wie ein Weltmeister
Hosen, Jacken, Röcke … alles, was mir Margret auf den Tisch legt, ohne aufzublicken.
Außer Bastis Anruf unterbricht nichts und niemand die beruhigende Routine. Margret
und Jola gucken immer wieder neugierig zu mir herüber. Irgendetwas beschäftigt sie.
Das merke ich genau. Sie fragen mich allerdings nicht, und ich werde bestimmt nichts
sagen.
    Als ich
kurz vor Feierabend meine Sachen zusammenräume, hält es meine Meisterin nicht länger
aus. »Vielleicht wollte der Typ nur deine Ideen klauen«, bricht es aus ihr heraus.
»Du hast ihn völlig hypnotisiert angeguckt. Wie das Kaninchen die Schlange.«
    Danke für
dieses reizende Feedback, Margret. Das hilft mir unglaublich.
    »Ist Quatsch,
das du da redest!«, antwortet Jola, bevor ich nur den Mund öffnen kann. »Ist er
eine nette, schöne Mann.«
    Das ist
wirklich sympathisch an Jola. Sie findet jeden Mann, den ich kennenlerne, nett und
schön.
    »Rosa, ich
denke, es war ein Fehler, ihm deine ganzen Arbeiten zu geben«, orakelt Margret.
    »War richtig«,
widerspricht Jola.
    Die beiden
würden bestimmt munter ohne mich weiterdiskutieren. Ich muss mich verteidigen. Und
ihn. Ich will nicht, dass Margret denkt, die doofe Rosa drückt jedem

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