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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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stundenlang die Bäuche voll, und ich
kann sehen, wie ich klarkomme.
    Ich wische
mir rasch mit dem Ärmel die Tränen ab (wo sind die blöden Taschentücher schon wieder
hin?) und schaue auf. Direkt in ein Paar irrsinnsschöne braune Augen.
    »Du bist
Rosa, nicht wahr?«
    »Ja«, hauche
ich.
    Vor mir
steht Leopold Weidenhain. Leibhaftig!
    »Irena Hofmann
hat mir viel von dir erzählt.«
    »Aber sie
… sie weiß doch gar nichts von mir.«
    Er lacht
und sieht dabei genauso aus wie in der Zeitung. Nur besser!
    »Okay! Ich
muss mich korrigieren. Sie hat von deinen Klamotten erzählt und dass du so ziemlich
die geilsten Kleiderideen unter der Sonne Berlins hast.«
    »Habe ich
das?«
    »Ich hab
zwar nur das Schwarze gesehen, aber es ist der absolute Hammer!«
    »Da… danke
sehr.« Meine Tränen trocknen.
    »Sie hat
mir allerdings eins verschwiegen …«
    »Ach ja?«
    »Ich hatte
keine Ahnung, dass die Designerin selbst ein echter Hingucker ist.«
    Er hat mich
Designerin genannt! Der Kloß in meinem Magen löst sich auf. Meine Wangen fangen
an zu glühen.
    »Jetzt fragst
du dich, was ich hier will!«
    »Ja.«
    »Ich brauche
dich!«
    »Mich?«
Verdammt, ich kann nur noch in Ein-Wort-Sätzen sprechen.
    »Weißt du
über ›Love dreams‹, mein neues Musical, Bescheid?«
    »Ein bisschen.«
    »Wenn du
nur halb so gut bist, wie ich glaube, nachdem ich dein Kleid gesehen habe, dann
bist du meine Kostümdesignerin.«
    »Ich?«
    Er deutet
mit dem Kopf nach draußen. »Kann man hier irgendwo was trinken gehen? Dann besprechen
wir alles.«
    »Gleich
gegenüber.«
    Oh Mann!
So eine geniale Geschichte habe ich das letzte Mal gehört, als mir meine Mutter
vor 20 Jahren Aschenputtel vorgelesen hat! Und jetzt passiert es mir!!! Ein Prinz
kommt und führt mich hinweg.
    Ich fühle
mich auf einmal nicht mehr klein und minderwertig. Ich bin fantasievoll, kreativ
und bezaubernd. Und ich rette die Welt mit Abendkleidern!
     
    30. September
1912
     
    Mir ist
nicht wohl seit einigen Tagen. Mutter sagt, das geschieht, weil ich zu viel nachdenke,
anstatt mich um meine Aussteuer zu kümmern. Wir waren am Nachmittag in Potsdam,
um ein wenig spazieren zu gehen und beim Hofkonditor Rabien die Hochzeitstorten
auszuwählen. Ich probierte ein paar Häppchen. Wahrscheinlich geht es mir deshalb
nicht gut. Mir ist Sahne noch nie recht bekommen. Und Marzipan auch nicht. Ich hätte
viel lieber einen Kuchen mit süßwürzigen Äpfeln aus dem Havelland gewählt, aber
Mutter meinte, das sei viel zu schäbig, um zu feiern, dass eine junge Dame aus bester
Berliner Gesellschaft in den Stand der Ehe tritt.
    »Ich frage mich, ob Friedrich mich wirklich herzlich liebt«,
sagte ich zu Mutter auf der Rückfahrt. Sie schaute mich still an und ich meinte
in ihren Augen Schmerz zu sehen. Doch dann war der Moment vorüber, und sie schalt
mich ein dummes Ding. Die Liebe sei nichts für adlige Männer, denn sie heirateten
allein nach Stand und Ansehen. »Dieser Liebesfirlefanz ist nur etwas für das einfache
Volk.«
    In diesem
Moment wünschte ich mir, nicht Augusta von Liesen zu sein.
    Später saß
ich in meinem Zimmer und stickte. Meine Sophie erwartet nämlich ein Kind. Sie hat
es mir im Vertrauen erzählt, als wir uns vor wenigen Tagen im Kaufhaus des Westens
trafen und hinterher gemeinsam über den Kurfürstendamm schlenderten.
    Ich freue
mich sehr für sie. Sogleich beschloss ich, dass ihr Kindchen die allerschönste bestickte
Wiegendecke von mir bekommen sollte. Meine Servietten für Friedrichs Herrentafel
in unserem neuen Zuhause sind sowieso fast fertig.
    Ich war
vertieft in meine Arbeit, als es an der Tür klopfte. Freundlich bat ich den Besucher
herein. Mein Herz pochte laut, denn ich hoffte insgeheim, dass es Friedrich wäre.
Wie sehr hätte ich mich über einen Besuch von ihm gefreut. Dann hätte ich ihn mit
meinen Neuigkeiten überrascht.
    Doch in
der Tür stand ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.
    Eilig erhob
ich mich, wobei mir mein Korb mit dem Stickgarn herunterfiel.
    »Ich bitte
um Entschuldigung«, sagte der junge Herr, der ein nicht sehr elegantes, buntes Sakko
trug. »Verzeihen Sie, man sagte mir, dass ich hier Richard von Liesen antreffe.«
    Sehe ich
etwa aus wie Richard von Liesen? Beinahe hätte ich gelacht, doch ich tat es nicht.
Kein junger Herr mag ein albernes Frauenzimmer.
    »Wie Sie
sehen, bin ich es nicht«, antwortete ich und kicherte dann doch ein wenig. »Mein
Herr Vater ist in der Bibliothek, eine Etage tiefer. Mein Name ist

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