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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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dämliches, träges Maultier, dem er Manieren beizubringen wüsste,
wenn er erst mit dir verheiratet wäre. Er sagte, er würde sich ganz gewiss nicht
auf ewig im Schlafzimmer mit einer langweiligen Person wie dir begnügen, doch da
könnte man zum Glück anderweitig Abhilfe schaffen.« Sie errötete und schlug sich
eine Hand vor den Mund. »Oh mein Gott, ich wünschte, das alles wäre nicht wahr.
Aber das ist es. Ich schwöre, Augusta, dein zukünftiger Mann verachtet dich.«
    »Und warum will er mich dann heiraten?« Meine Stimme drohte
zu versagen.
    »Beantworte
dir die Frage selbst«, schluchzte meine Sophie.
    Es geht
ihm um meine Mitgift. Das ist mir mit einem Mal klar. Die Häuser, unsere Landgüter,
Papas weitreichende Geschäftsbeziehungen. All das verheißt Friedrich, dem Viertgeborenen
einer verarmten märkischen Landadelsfamilie, ein sorgenfreies Leben im Wohlstand.
Und meine Eltern bekommen einen echten Grafentitel in die Familie.
    Friedrich
liebt mich nicht, hat mich nie geliebt. Meine Eltern handeln mit ihrer Tochter wie
einem ihrer Pferde, um durch die Zucht das Blut zu verbessern.
    Ich hätte das alles viel eher verstehen können. Im Grunde
habe ich vieles davon in den letzten Wochen geahnt, aber es nicht wahrhaben wollen.
Denn ich wollte viel lieber an die reine und echte Liebe glauben. Daran, dass ein
Mann, der um die Hand eines jungen Mädchens anhält, sich wirklich von Herzen zu
ihr hingezogen fühlt. Nun weiß ich, dass ich mich getäuscht habe. Fortan wird mein
Leben ein völlig anderes sein. Nicht, weil ich es so will. Nein, weil es sein muss.
     
    Unglaublich, wie anders Augusta
jetzt klingt. Wenige Wochen sind vergangen und aus dem naiven Mädchen ist eine ernste
junge Frau geworden, die begriffen hat, dass das Leben leider nicht so läuft, wie
sie es sich in ihren rosafarbenen Mädchenträumen ausgemalt hat.
    Das kommt
mir alles total bekannt vor.
    Das wahre Leben zwingt einen, sich zu verändern, selbst wenn
man das überhaupt nicht will. Und Menschen, die man liebt, enttäuschen einen. Wie
Basti mich zum Beispiel.
    Seine lange
verheimlichte Familiensituation zwingt mich, umzudenken und mein Leben zu ändern,
wenn ich mit ihm zusammenbleiben will. Ich muss offen dafür sein, dass er eine Tochter
hat, die demnächst bei ihm wohnen wird. Ich muss schlucken, dass er vor Kurzem Heiratspläne
mit einer bildschönen Ärztin hatte, dass er mir von all dem kein Sterbenswörtchen
gesagt hat und mir damit das Gefühl gibt, nicht gerade das Wichtigste in seinem
Leben zu sein.
    Mir ist
mein Leben allerdings wichtig! Ich muss selbst für mich und mein Glück Sorge tragen!
Wenn ich das im letzten Sommer noch nicht begriffen hatte, dann spätestens jetzt.
Den Märchenprinzen gibt es nicht. Eine Beziehung ist Arbeit, manchmal jedenfalls.
Welche Auswirkungen diese Erkenntnis auf Basti und mich haben wird, weiß ich nicht.
Aber ich werde es herausfinden.
    Veränderungen
sind wichtig, auch wenn sie wehtun. Das hat Augusta ebenfalls verstanden. Richtig
hart und frustriert klingt sie plötzlich. (Wen wundert’s. Sie war schließlich dreimal
blauäugiger und ahnungsloser als ich). Mal schauen, welche Schlüsse sie aus ihren
Erkenntnissen zieht …
     
    Basti liegt neben mir in meinem
Bett und schläft tief und fest. Ich kann keine Ruhe finden und habe mir deshalb
das Tagebuch aus der Wäscheschublade geholt. Für Augusta freue ich mich, dass sie
mithilfe von Sophie erkannt hat, was ihr toller Verlobter in Wahrheit spielt.
    Ich hätte
auf manche Tatsachen aus Bastis Leben erst einmal verzichten können. Andererseits
– kann man sich ein gemeinsames Leben aufbauen, wenn man jede Menge Geheimnisse
voreinander hat? Nein, kann man nicht.
     
    Basti war heute verwirrt, weil er
als Einziger nichts von meiner neuen Arbeit wusste.
    Als wir
in seinem Auto zu mir fuhren, merkte ich, obwohl wir uns ausgesprochen hatten, wie
er mich mehrmals nachdenklich von der Seite anschaute.
    »Und was
ist das für ein Typ, der Weidenhain?«, fragte er mich später, ausgerechnet zwischen
zwei Küssen und als wir gerade dabei waren, zu Bett zu gehen.
    Scheiß Timing,
Basti.
    Ja, was
ist er für ein Typ? Einer, der cool aussieht. Zweifellos. Einer, der mir beim Reden
immer direkt in die Augen sieht, der mir Komplimente für meine Arbeit macht und
bei dem sich mir die Nackenhärchen aufstellen, wenn er mich wie zufällig berührt.
Und einer, wegen dem ich plötzlich keine Lust mehr auf Sex mit meinem Freund habe,
wenn ich an ihn denke.

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