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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Vicki, als sie mit ihrem Glas an meines klimpert. »Ich
trinke deins jedenfalls nicht aus.«
    »Ist alkoholfrei«,
sagt sie lächelnd. »Trinke ich also selbst. Entschuldige übrigens wegen gestern
Abend.«
    »Weiß es
Dani?«
    Sie schüttelt
den Kopf. »Er denkt, ich habe eine Magenverstimmung.«
    Ich will
etwas erwidern, doch ich kann nicht, denn plötzlich steht Basti neben mir. Vicki
zieht sich eilig zurück.
    »Wir haben
noch was zu bereden«, formen ihre Lippen. Haben wir, denn ihre Heimlichtuerei nervt
langsam!
    »Hey, Basti!«
    Er zieht
mich an sich, legt eine Hand auf meinen Hintern und küsst mich.
    »Ihr habt
mich ganz schön überrumpelt mit eurer Party«, sage ich. Wieder mal.
    »Dito«,
sagt er lachend. »Ich war ziemlich geplättet, als mir deine Kolleginnen heute verklickert
haben, dass du ab sofort nicht bei Margret arbeitest. Fühlte sich an wie im falschen
Film.«
    Oh ja, dieses
Gefühl kenne ich nur zu gut, mein lieber Basti!
    »Ich wollte
es dir heute Abend sagen«, antworte ich und komme mir plötzlich schuldig vor. »Ganz
in Ruhe. Ich dachte eigentlich, wir zwei wären alleine.«
    »Wie lange
weißt du es?«
    »Auf jeden
Fall noch nicht sieben Jahre.« Die kleine Anspielung auf das Alter seiner Tochter
kann ich mir leider nicht verkneifen.
    »Sind wir
jetzt quitt?«, fragt Basti. Er sieht ein wenig verletzt aus.
    »Entschuldige,
es war nicht so gemeint. Ich … Es ging mir alles zu schnell in den letzten Tagen.
Ich war immerzu dabei, irgendeine Neuigkeit von dir zu verkraften, dass ich
gar nicht dazu kam, zu begreifen und darüber zu sprechen, was eigentlich bei mir
passiert.«
    »Ich bin
ein Idiot.«
    »Ach Unsinn«,
antworte ich.
    »Nur eins noch.«
    »Ja?«
    »Ich bin stolz auf dich. Du bist die großartigste Frau, die
mir je begegnet ist, und ich freu mich auf unser Leben.«
    Das war es. Der Tag ist perfekt. Und ich, Rosa Redlich, bin
eine glückliche Frau!
     
    8. Oktober
1912
     
    Wieder habe ich unendlich viel
zu erzählen, denn jeden Tag prasseln neue Erkenntnisse auf mich ein, wie taubeneigroße
Hagelkörner auf das frische Ackergrün. Ein passenderes Bild kann ich leider nicht
finden, denn es ist zerstörerisch, was ich fühle. Der Glaube meiner Jugend ist dahin.
Mit dem Scheiden meiner kindlichen Einfältigkeit offenbart sich mir die ganze Verlogenheit
der Erwachsenenwelt.
    Jeden Tag
meines bisherigen Lebens habe ich an Ehrlichkeit geglaubt, denn man hatte mich gelehrt,
dass Lügen Sünde seien. Doch dann erkannte ich plötzlich, dass diese Tugend für
manche Menschen keinerlei Bedeutung hat. Sie leben nach ganz anderen, sehr zweifelhaften
Werten und treten die Tugend mit Füßen.
    Für mich
wird Ehrlichkeit immer ein kostbares Gut bleiben. Doch ich werde lernen müssen,
dass im Leben noch andere Spielregeln gelten. Und ich werde sie für mich zu nutzen
wissen. Nicht, weil es mir gefällt, sondern allein, um zu überleben.
    Friedrich
liebt mich nicht. Änni belügt mich. Ich weiß nicht einmal, ob meine eigene Mutter
mich wahrhaftig liebt. Hält sie es doch für wichtiger, mich standesgemäß statt glücklich
zu verheiraten.
    Nun muss
ich lernen, mich zu wehren.
    Woher ich
das alles auf einmal weiß? Weil es Menschen gibt, die mir wahrhaftige Treue und
bedingungslose Ehrlichkeit schenken.
    Der Reihe
nach: Ich besuchte meine liebe Sophie, um ihr die fertige Decke für ihr Kindchen
zu bringen. Als sie das feine Stickwerk sah, fiel sie mir plötzlich um den Hals
und fing an, bitterlich zu weinen.
    Ich war
sehr verwirrt über ihren Gefühlsausbruch und sorgte mich um ihre Gesundheit und
die ihres ungeborenen Kindes. Auf meine eindringlichen Fragen hin verneinte sie
es, Probleme zu haben, weinte aber noch viel mehr.
    »Es ist
deinetwegen, Augusta«, rief sie schließlich verzweifelt. »Ich weine um dich, weil
du mir so sehr am Herzen liegst.«
    »Es geht
mir wunderbar«, antwortete ich. »Schau nur, bald werde ich ebenfalls verheiratet
und glücklich sein und dann werden wir gemeinsam mit unseren Kindern im Großen Tiergarten
spazieren gehen.«
    »Aber du
wirst nicht glücklich werden.«
    »Wie kannst du das sagen?«, gab ich erschüttert zurück.
    »Es ist wegen Friedrich«, rief meine liebe Sophie und konnte
sich noch immer nicht beruhigen. »Er liebt dich nicht. Mein Mann hat ihn im Offizierscasino
getroffen. Sie haben zusammen zu Mittag gegessen. Friedrich nannte dich – scheinbar
unter dem Einfluss mehrerer Flaschen Wein und im Glauben, Georg würde ihm lachend
zustimmen – ein

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