Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Augusta war doch ziemlich cool.«
»Da hast
du recht! Und ich rede mit Daniel«, verspricht Vicki. »Nächstes Wochenende. Es wird
Zeit, dass er von unserem Baby erfährt.«
»Bist du
dir sicher?«
Sie nickt,
und ich bin sehr erleichtert. Endlich!
So war denn
Augustas tragische Geschichte doch noch für etwas gut. Sie wird einer lange fälligen
Wahrheit ans Licht helfen.
*
Bei mir hapert es mit der Ehrlichkeit
allerdings noch! Warum? Weil die Wahrheit von allen denkbaren Möglichkeiten, etwas
zu sagen, oft die schwerste und unkomfortabelste ist. Mist!
Fast eine
Woche ist vergangen und Leo weiß noch immer nicht, dass zwischen ihm und mir nichts
mehr laufen wird. Als hätte er geahnt, was ich ihm sagen will, hat er sich ganze
vier Tage nicht sehen lassen. Marlene stichelt bei jeder sich bietenden Gelegenheit
(»Na, quält dich die Sehnsucht? Du guckst ja laufend zur Tür.«). Unterdessen habe
ich mich fast daran gewöhnt und höre nicht mehr hin. Immerhin lässt sie Basti in
Ruhe. Er hat mir geschworen, dass sie ihren alten Kontakt nicht wiederaufleben lassen
werden. Ich glaube ihm. Ich bin mir sicher, dass er aus seinen Fehlern gelernt hat
und mich nicht mehr anlügt.
Bei Jola
in der Werkstatt ist ebenfalls alles in Ordnung. Ich habe mehrfach angerufen und
sie hat beteuert, dass sie ihre Arbeit sehr gut schafft. Ich soll mir keine Sorgen
machen. Margret wird bald aus dem Krankenhaus entlassen und fährt gleich anschließend
zur Kur an die Ostsee. Keine Ahnung, wie es den Ärzten gelungen ist, sie zu überreden.
Ich bin jedenfalls froh. Es ist wichtig, dass sie sich jetzt ausruht.
Wie es scheint,
kommen die Dinge alle langsam wieder in Ordnung und Ruhe kehrt ein.
Im Theater
herrscht allerdings Stress pur. Die Tage verfliegen mit Zuschneiden, Nähen, Anproben,
Änderungen, Besprechungen … Es ist wunderbar, aufregend, neu, aber auch ziemlich
kräftezehrend.
Ich arbeite
seit Kurzem an meinem Lieblingsstück. Es ist das sexy Kleid, das Rosana in der Verführungsszene
trägt und das mir von all meinen Werken am meisten am Herzen liegt. Ich träume schon
davon. Es soll mein Meisterwerk werden, die Krone meiner bisherigen Arbeit. Deshalb
versuche ich, allen Stress auszublenden, und mich allein darauf zu konzentrieren.
Meinen ursprünglichen Entwurf habe ich ein wenig modifiziert. Ich möchte, dass das
Kleid noch viel verführerischer aussieht.
Allerdings
ertappe ich mich (Marlene hat nicht ganz unrecht) hin und wieder dabei, dass ich
auf die Tür starre, wenn sie jemand öffnet. Warte ich tief drinnen vielleicht doch
darauf, dass Leo zu mir kommt? Ach Mann! Ich bin eine ziemlich alberne Gans.
Zurück zum
Kleid: Oran, der schöne und grausame Fürst der Finsternis, hat Rosana auf seinen
Ball eingeladen. Sie weiß, was auf dem Spiel steht. Doch sie sagt zu, natürlich
nur, um Ben zu sehen und ihn an diesem Abend zurückzugewinnen. Rosana kennt die
Gefahr, die ihr droht, wenn der Fürst erkennt, dass sie gar nicht seine, sondern
die Liebe ihres einstigen Verlobten gewinnen will. Was sie jedoch nicht weiß, ist,
dass nicht Oran, sondern Ben plant, sie zu opfern. Rosana spürt, dass er sich verändert
hat, sie ahnt jedoch nicht, wie sehr. Letztlich wird es Oran sein, der sie vor Bens
Angriff rettet, ihn tötet und dessen Vampir-Gespielin gleich mit.
Ziemlich
blutig das Ganze. Und nicht gerade das, was man sich landläufig unter einem Happy
End vorstellt. Das ist zwar nicht schön, aber spannend. Fast wie im wahren Leben,
denn da siegt auch nicht immer die Liebe, wie man am tragischen Schicksal von Augusta
sehen kann, das mir ständig durch den Kopf spukt, während ich Rosanas Kleid nähe
(Immer wieder die gleichen unbeantworteten Fragen: Hat Friedrich sie umgebracht?
Ist sie vor Kummer gestorben?).
Anders als
in meinem ursprünglichen Entwurf habe ich mich jetzt für weiße Stoffe entschieden.
Das Oberteil besteht fast ausschließlich aus durchsichtigem Chiffon, der sich ganz
eng, wie eine zweite Haut, an Rosanas Körper schmiegt. Damit ist sie angezogen und
gleichsam nackt. Ihre Brüste schimmern hindurch und werden nur von zarten Blumen-Ornamenten
aus Spitze bedeckt, die nach unten hin mehr und üppiger werden und schließlich in
einen bodenlangen Rock aus Satin münden. Über diesem engen Rock liegt eine Schicht
bauschigen Organzas, der dem Kleid eine schöne optische Fülle gibt. Darüber bringe
ich einen weiteren Rock an, der aus zartem Tüll besteht und in größeren Abständen
mit hauchfeinen Federn
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