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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Mutter einen langen Brief schreiben, sie noch einmal um Verzeihung
bitten und ihr dafür danken, dass sie mich gewähren ließ.
     
    Mir kommen glatt die Tränen. Mein
Hals schnürt sich zu. Jetzt kommt die unerfahrene Augusta wieder durch, eine, die
nichts und niemandem auf der Welt etwas Böses zutraut.
    Ich ahne,
was folgen wird. Wenn man so unschuldig, glücklich und naiv ist, dann kriegt man
ganz schnell eins auf den Deckel. Vor allem, wenn man so eine krasse Mutter hat
wie meine liebe Augusta.
     
    Kletzin,
23. November 1912
     
    Heute habe ich begonnen, mit
Johannsens Kindern ein Puppenspiel über Jesu Geburt einzuüben. Zum letzten Adventstag
möchte ich die Kinder des nahen Waisenhauses in mein Haus einladen. Wir werden ihnen
Milch, Äpfel und Gebäck servieren und ein kleines Krippenspiel mit Musik aufführen.
    Magda, die
Große, hat ganz alleine die Kleider für unsere Puppen geschneidert. Sie ist ein
sehr braves und begabtes Mädchen, das sich selbstlos um ihre vier Geschwister kümmert,
wenn ihre Mutter auf dem Gut zu schaffen hat. Wir hatten viel Freude an unserem
Spiel, so lange, bis eine Kutsche die Auffahrt hinauffuhr. Neugierig liefen die
Kleinen ans Fenster. Ich konnte sie nicht bewegen, beim Spiel zu bleiben. Zu aufregend
ist es, wenn Besuch eintrifft. Dabei, so wusste ich, war es nur der Pfarrer.
    Ich erhob
mich, um ihn zu begrüßen, und bat Magda, einen Tee für den Gast aufzusetzen.
    Der Pfarrer
trat ein – und mit ihm Vater und Friedrich.
    »Es ist
Zeit, dass du nach Hause zurückkehrst«, sagte mein Vater und strich mir kurz über
die Wange zum Gruß. Seine Augen blickten mild. Doch seine Worte waren schmerzhaft
wie Peitschenhiebe. »Du hattest ausreichend Zeit, um alles zu bedenken. Dein Verlobter
musste lange genug warten. Die Hochzeit ist für den Samstag in einer Woche festgesetzt.«
    Ich wollte
protestieren, schreien, weinen …
    Ein kalter
Blick aus Friedrichs grauen Augen traf mich. Um seine Lippen spielte ein feines
überlegenes Lächeln. Da wusste ich, es hat keinen Sinn. Ich habe verloren.
     
    Verdammt! Ich habe es gewusst. Noch
zwei Seiten dann habe das Tagebuch zu Ende gelesen.
     
    Am Abend klopfte es hart an
meine Zimmertür; bevor ich den Besucher hereinbitten konnte, stand Friedrich im
Raum. Ich ließ meine Stickarbeit fallen und stand auf.
    »Ich hatte
dir gesagt, wir würden heiraten.«
    Ich sah auf meine Füße, versuchte, ein Zittern zu unterdrücken,
und schwieg, während er näher trat.
    »Deine Widerspenstigkeit nützt dir nichts«, sagte er, packte
mich unter dem Kinn und zwang mich, ihm in die Augen zu schauen. »Bald gehörst du
mir und dann hilft es dir wenig, dich auf dem Gut oder sonst wo zu verstecken. Du
siehst, ich hole mir, was mir zusteht. Und zwar immer. Also sei ein braves Mädchen
und tu, was ich dir sage.«
    »Verlassen
Sie mein Zimmer«, sagte ich so fest ich konnte. Doch er lachte nur.
    »Warum?
Wir können doch vor dem Essen noch ein wenig Freude miteinander haben.«
    Er rückte
immer näher, legte plötzlich seinen Arm um meinen Nacken, zog mich ruckartig an
sich und hielt mich, dass ich kaum Luft bekam, geschweige denn mich bewegen konnte.
Ich roch, dass er getrunken hatte. Mit seiner linken Hand griff er meinen Rock und
zog ihn hoch. Ich wollte schreien, doch er presste seine Lippen auf meinen Mund
und erstickte jedes Geräusch, während er sich an mich drückte und nicht von meinem
Kleid abließ.
    Da klopfte
es erneut und Magda öffnete die Tür. Ich sah an ihren weitaufgerissenen Augen, wie
sehr meine ausgelieferte Situation sie erschreckte. Doch als sie sprach, klang ihre
Stimme überraschend fest. »Fräulein Augusta, Ihr Herr Vater bittet sie hinunter«,
sagte sie und knickste.
    Friedrich
drehte sich wütend zu ihr um. Dann ließ er mich los. Grob schob er das Mädchen beiseite,
als er eilig mein Zimmer verließ. Ich ordnete meine Kleidung und wischte die Tränen
ab.
    »Es ist
gar nicht Ihr Herr Vater, der Sie bitten lässt«, flüsterte Magda. »Es ist ein junger
Herr und er sagt, dass Sie ihn aus Berlin kennen. Er wartet am Pferdestall.«
    Es war mein
Herz, das mir sagte, dass Wendelin Hegelow gekommen war, um mich zu erlösen.
     
    Lieber Himmel, da ist aber jemand
im rechten Augenblick erschienen – sowohl Magda als auch Wendelin. Ob er Augusta
jetzt auf sein Pferd setzt und mit ihr davonreitet und sie werden glücklich bis
an ihr Lebensende?
     
    Ich werde warten, bis wir gegessen
haben. Ich werde die brave fügsame Tochter und

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