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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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sagt er. »Mit Vicki, das wird wieder. Du kennst sie doch.«
    Ja, eben,
und deshalb bin ich verzweifelt. Die Vicki, die ich kenne, hätte mir längst verziehen.
    »Wenn du
irgendetwas herausfindest, sag mir Bescheid. Vielleicht kann ich dir helfen«, bietet
Daniel an. »Ich weiß einen Immobilienanwalt, der schuldet mir einen Gefallen.«
    Dankbar
lächele ich ihn an. »Aber wenn Vicki das Gut gar nicht haben will? Wozu dann das
alles?«
    »Wenn es
wirklich ihr gehört, dann will sie es«, antwortet er und zwinkert mir zu. »Sie weiß
es nur noch nicht.«
     
    *
     
    Die Premiere von ›Transylvania love
dreams‹ ist in wenigen Tagen.
    Ich befinde
mich in kribbeliger Spannung. Die Proben laufen jetzt ununterbrochen und auch wenn
es in der Schneiderei unterdessen ruhiger wird, gibt es genug zu tun. Viele Kostüme
müssen in mehrfacher Ausfertigung vorhanden sein. Dauernd gibt es etwas auszubessern
oder zu ändern. Langsam, aber sicher fange ich an, mich nach meinem kuscheligen
Arbeitsplatz bei Margret zu sehnen.
    Ich kann
es selbst kaum glauben, denn eigentlich dachte ich, es müsste der Himmel auf Erden
sein, am Theater zu arbeiten. Doch die letzten Monate haben mir seelisch und körperlich
ziemlich zugesetzt, auch wenn ich kreativ und verschwenderisch arbeiten durfte wie
nie zuvor.
    Heute Abend
haben Leo und ich zum ersten Mal seit Langem nichts vor. Das heißt, keine Arbeit,
keinen Empfang, keine Party. Nur Ruhe. Ich habe das Gefühl, dass ich sofort ins
Bett gehen und eine Woche schlafen sollte. Doch vorher will ich etwas ganz Banales
tun. Den Fernseher anwerfen, einen Film gucken und Chips essen.
    Gedacht,
getan. Während Leo grübelt, bei welchem Restaurant er unser Abendessen bestellen
soll, lümmele ich auf der Couch und zappe mich durch unendlich viele Kanäle. Bis
meine Aufmerksamkeit gefesselt wird – ausgerechnet von der RBB-Abendschau.
    »Das Ende
eines kleinen Paradieses«, sagt die Moderatorin, »steht nun unmittelbar bevor. Trotz
weitreichender Proteste in der Bevölkerung werden zu Beginn der kommenden Woche
Bagger und Abrissbirnen im idyllischen märkischen Kletzin die Regie übernehmen.«
    »Was hältst
du von thailändisch?«
    »Psst«,
mache ich und starre gebannt auf den Bildschirm.
    Leo setzt
sich neben mich und guckt mit. »Ist schon eine Schande«, sagt er, als das Herrenhaus
mit der breiten Pappelallee eingeblendet wird. Selbst jetzt im grauen Spätherbst
sieht das Anwesen wildromantisch und wunderschön aus. Nur die rot-weißen Absperrbänder
künden vom nahenden Unheil.
    »Ich bin
sicher, wir hätten es verhindern können«, sage ich resigniert. »Aber meine Freundin
Vicki hat sich leider total geweigert.«
    »Ist es
meinetwegen?«
    »Was?«
    »Dass sie
nicht mehr mit dir redet.«
    »Nicht nur«,
antworte ich ausweichend. »Aber auch. Sie kommt nicht damit klar, dass wir beide
zusammen sind.« Ich weiß ja, dass das nur die halbe Wahrheit ist, aber ich habe
keine Lust, Leo die ganze komplizierte Geschichte zu erklären.
    »Und? Kommst
du klar?«
    Ich schaue
ihn fragend an. »Womit soll ich denn klarkommen?«
    Hat er etwa
gemerkt, dass ich mich verändert habe und meine Liebe zu ihm manchmal Schleim aus
mir macht?
    »Na ja,
damit, dass ich ab Januar wieder in Los Angeles bin. Jedenfalls den größten Teil
des Monats.«
    »Du bist
wieder …?« Ich schnappe überrumpelt nach Luft. »Wie lange weißt du das schon?«
    Ich fühle
mich doppelt überfallen. Nicht nur Kletzin wird von der Abrissbirne zerstört, meine
Beziehung scheinbar auch. Leo in L.A.? So bald schon? Wie soll es mit uns weitergehen,
wenn wir uns nur alle Jubeljahre einmal sehen? Die Vorstellung macht mir Angst.
    »Das ist
nun mal mein Leben«, sagt Leo und streicht mir über die Wange. »Ich bin nie lange
an einem Ort.«
    Und nie
lange bei einer Frau!
    »Das weiß
ich doch«, sage ich heftiger als beabsichtigt. Er soll mich nicht behandeln wie
ein doofes Kind.
    »Wenn du
willst, kannst du hier wohnen bleiben«, sagt er. »Ich habe das Haus gekauft.«
    Irgendwie
komme ich mir jetzt vor wie Madame de Pompadour. Das war die berühmte Mätresse von
Ludwig XV., der er jede Menge schöner Anwesen spendiert hat, wo sie dann sitzen
und auf ihn warten konnte, bis er mal Zeit für sie hatte.
    »Und? Wie
viel zahlst du mir im Monat?«
    »Was meinst
du?«
    »Na, wie
nennt man das? Apanage? Oder Gage? Lohn dafür, dass ich hier herumsitze und auf
dich warte!«
    »Ich hasse
es, wenn du so schnippisch bist«, sagt Leo und springt von der

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