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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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welchem Gas?«
    »Ich dachte, Sie wüssten davon?« Prohacek schien irritiert. Dann lichtete sich sein Blick und er sagte: »Na ja, woher auch.«
    »Was war damit?«
    »Nun, das wissen wir selbst nicht so genau. Offenbar hatte sie das Gas nur so weit abgedreht, dass die Flamme ausgegangen war, aber halt nicht weit genug, dass es ganz abgestellt gewesen wäre. Jedenfalls ist in einer Nacht aus dem Herd Gas ausgeströmt. Und irgendwie   … ich glaube, weil sie nicht schlafen konnte   … ist sie Gott sei Dank aufgewacht und hat’s nochrechtzeitig gemerkt und alle Fenster aufgerissen. Ich darf gar nicht dran denken   …«
    »Aber kann das denn überhaupt passieren?«
    »Na ja, der Handwerker meinte hinterher, sie solle sich von dem alten Ding verabschieden.«
    Wir waren wieder an der Treppe des Belvedere angelangt. Mir schwirrte der Kopf von all den Personen und Ereignissen und den Gedanken daran, was wann geschehen war und wer was warum gesagt haben könnte. Plötzlich kam mir ein ganz anderer Gedanke: »Diese Schwester   … hat Mutter die je getroffen?«
    Einen Moment lang schien er verwirrt, doch dann verstand er, von wem ich sprach: »Sie meinen Sieglinde Sartorius?«
    »Ja.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste.«
    Und dann nahm er meine Hände, drückte sie und sah mich eindringlich an: »Passen Sie gut auf sich auf.«
    Und noch ehe ich ihn fragen konnte, was er damit meinte, hatte er sich abgewandt und ging davon, mit unsicheren Schritten in Richtung Straßenbahn. Ich blickte ihm nach, wie er um die Ecke bog. Sieglinde und Roman, immer wieder Roman, das Manuskript, die Fotos, Hohehorst. All das purzelte in meinem Kopf durcheinander und in diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als meine Gedanken einfach abschalten zu können.
     
    Es war spät in jener Nacht, als meine Verzweiflung und Verwirrung überhandnahmen und ich zum Hörer griff und Wolfs Handynummer wählte. Und während ich es klingeln und klingeln hörte und niemand abnahm, stellte ich mir vor, wie er auf dem Display meine Nummer sah, das Klingeln ignorierte und sich wieder der Beschäftigung zuwandte, die ihn gerade in Atem hielt. Ich war mir sicher, dass diese Beschäftigung einen Namen hatte, der mit »B« begann.
     
    Da Geld ja jetzt keine große Rolle mehr spielte, ich meinen derzeitigen Kunden wohl ohnehin verloren hatte und auch sonst niemand auf mich wartete, flog ich am nächsten Tag nach Hamburg, nahm mir dort einen Leihwagen und fuhr nach Husum. Die Adresse von Sieglinde Sartorius stand im Telefonbuch. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, einen Privatdetektiv vor Ort zu engagieren, doch was hätte
ich
dann tun sollen? Mir die blütenweiße Decke des Hotelzimmers ansehen, erschöpfende Spaziergänge machen? Natürlich hätte ich auch nach Hause fahren und mir überlegen können, was ich mit Omas und Mutters Geld und – ganz nebenbei – mit meinem Leben insgesamt anfangen sollte. Die Termine mit dem Immobilienmakler und dem Entrümpler, die ich in Wien vereinbart gehabt hatte, waren erst einmal abgesagt. Ich war jetzt erneut an dem Punkt angelangt, wo ich mir überlegte, ob ich die Wohnung nicht doch lieber behalten sollte. Die Frage dabei war: Was wollte ich überhaupt? Sicher, zu Hause in Deutschland hatte ich einen Laden und auch eine Wohnung, die ich mir zu einem Showroom eingerichtet hatte. Aber Läden und Showrooms gab es überall und ich könnte die Gelegenheit nutzen und irgendwo anders ganz neu anfangen. Und wie wäre es, wie würde es sich anfühlen, in Mutters Wohnung zu ziehen?
    Während ich in dem geliehenen Toyota saß und auf die graublaue Wand des Hauses starrte, in dem Sieglinde Sartorius lebte, liefen immer wieder neue Kurzfilme in meinem Kopf ab: Bilder von Mutter im Farah-Diba-Look wurden überlagert von Prohaceks gütigem Gesicht und seinen Worten, die immer wieder zu mir zurückkehrten. Was, wenn es wirklich so gewesen war – dass Mutter vieles bereut hatte und sich mit mir versöhnen wollte, nach all diesen Jahren? Ich spürte eine seltsame Regung in mir aufsteigen, eine Art Rührseligkeit, die ich sofort wegdrückte. Doch dann kam sofort ein anderer, noch fremderer Gedanke: Erna und das, was Prohacek über sie gesagt hatte: dass Erna meiner Mutter einen
hässlichen Brief
geschriebenund dass sie ihnen Böses gewollt hatte. Nein, nein, hörte ich mich plötzlich selbst laut sagen. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!
    Die selbst gewählte Einsamkeit des Detektivs

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