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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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unterwegs und Sie beide haben sich ineinander verliebt. Ja, hat Erna denn nichts von alledem bemerkt?«
    »Ich weiß es nicht.« Er schüttelte beschämt den Kopf. »Ich war verliebt, da bemerkt man nicht viel anderes. Wenn sie es bemerkt hat, dann wollte sie es wahrscheinlich nicht wahrhaben.« Er starrte vor sich hin, als wollte er es selbst nicht wahrhaben.
    »Darf ich fragen, wie lange Sie und Erna zusammen waren, davor?«
    »Fast zehn Jahre«, sagte er schlicht.
    »O Gott«, entfuhr es mir, »die arme Erna. Sie hat mir kein Wort davon gesagt. Wie hat sie das denn verkraftet?«
    »Sie   … hat sich von einem Tag auf den anderen völlig zurückgezogen. Hat nicht mehr auf meine Anrufe reagiert, die Tür nicht aufgemacht. Erna konnte es einfach nicht akzeptieren. Es gab da eine Phase, in der ich mir sehr große Sorgen um sie gemacht habe. Und irgendwann hat sie Lilli einen wirklich hässlichen Brief geschrieben.«
    Was erzählte mir dieser Mann hier? Das passte nicht zu dem Bild der Erna, die ich kannte. Warum hatte sie das mit keinem Wort erwähnt?
    »Und dann   … sie hat begonnen, uns nachzustellen. Sie war wie besessen. Das ging so weit, dass Lilli Angst vor ihr bekam.«
    »Aber ich habe doch mit Erna gesprochen   … mehrmals. Sie hat nie etwas davon erwähnt.«
    »Ja, hm«, druckste er herum. »Irgendwann hat sie sich wohlwieder beruhigt. Ich weiß es nicht. Trotzdem wurde ich den Eindruck nicht los, dass sie uns   … wie soll ich sagen   … Böses wollte   …«
    »Das ist ja ganz schön heftig. Und dieser Brief – was hat meine Mutter mit ihm gemacht, fortgeworfen?«
    »Ich weiß es nicht, warum fragen Sie?«
    »Ach, nur so. Weil ich doch gerade dabei bin, Mutters Sachen zu sortieren. Aber so einen Brief bewahrt man wohl nicht gerade im Schatzkästchen auf.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich nehme tatsächlich an, dass sie ihn fortgeworfen hat. Eine Zeit lang   …« Prohacek verstummte abrupt. Dann räusperte er sich, und als ich ihn fragend ansah, schien er mit sich zu ringen, ob er weitersprechen sollte. Als ich nichts sagte, meinte er schließlich: »Es ist vielleicht albern, aber eine Zeit lang hatte ich selbst sogar ein wenig Angst. Weil sie noch immer meine Wohnungsschlüssel hat.«
    Ich erstarrte und erinnerte mich an das Gefühl, das mich in Mutters Wohnung beschlichen hatte – als sei da jemand gewesen.
    »Hatte Erna   … vielleicht auch einen Schlüssel zu Mutters Wohnung?«
    Prohacek drehte sich zu mir um. Ein wenig überrascht, wie mir schien. Als sei ihm dieser Gedanke nie gekommen.
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«
    Ein paar Minuten lang sagte keiner von uns ein Wort. Dann fragte ich ihn: »Und wie ist Ihr Verhältnis zu Erna seit Mutters Tod?«
    »Es ist   … gibt kein Verhältnis in dem Sinne. Das einzige Mal habe ich sie auf der Trauerfeier gesehen. Und   … bitte verstehen Sie mich richtig, aber der Tod Ihrer Mutter war für mich so ein großer Schock, da ist für mich ein wichtiger Teil   … der wichtigste Teil meines Lebens einfach weggebrochen. Ich habe an nichts anderes mehr denken können. All die Pläne, die wir hatten, die Reisen, die wir unternehmen wollten, die Kreuzfahrt   …«
    »Sie hatten eine Kreuzfahrt geplant?« Vage erinnerte ich mich an die Prospekte, die ich in Mutters Sekretär gefunden hatte. »Und Mutters Krankheit?«
    Auf einmal wirkte er unsicher, er fingerte in seiner Jackentasche herum, zog eine zerknitterte Packung Gauloise heraus. Mit der Zigarette im Mund antwortete er schließlich: »Die letzten Blutuntersuchungen gaben Anlass zu großer Hoffnung. Der C A-Wert war um so viel besser geworden, Sie glauben ja nicht, wie glücklich ich darüber war   …«
    »Wenn ich das richtig verstanden habe, war sie nicht mehr bei Ihnen in Behandlung.«
    Er räusperte sich, nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, stieß den Rauch aus und sagte dann: »Ich habe ihr geraten, zu einem anderen Arzt zu gehen. Aus Gründen der Professionalität. Bei Richtern nennt man das Befangenheit.«
    »Und wo war sie dann?«
    »Bei einem Kollegen, der sich auf Naturheilverfahren spezialisiert hat. Dr.   Berghof.«
    Vage erinnerte ich mich, den Namen eines anderen Arztes in ihrem Kalender gelesen zu haben. Und während ich noch darüber nachsann, fuhr Prohacek fort: »…   hatten wir einfach gebucht. Vier Wochen Karibik. Am 21.   Dezember wäre die Reise losgegangen. Ich dachte mir: Wenn nicht jetzt, wann dann? Das war nach diesem Unfall mit dem Gas.«
    »Mit

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