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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Jahr durch die Lande getingelt war. Doch da war niemand gewesen, der mir mein Herz gestohlen hatte, bis Wolf gekommen war. Ein Mann mit bärenhaftem Charme, der ähnlich lebte wie ich, der sich von einem Lichtstrahl in einer mittelalterlichen Kirche hinwegtragen lassen konnte oder von der Abendsonne, die auf einen Palazzo fällt. Eine Künstlernatur wie ich. Aber einer, der zugleich Bodenhaftung und Durchhaltevermögen besaß. Und leider auch einer,der sich aus dem Staub gemacht hatte, als ich ihn am meisten brauchte. Allerdings hatte ich mich ja auch schuldig gemacht und mich einem anderen Mann genähert, einem Mann, der mich vom ersten Blick an fasziniert hatte: Roman. Der Mann, der aus dem Nichts aufgetaucht war, mir einen Haufen Lügen aufgetischt hatte, mich mit seinen Augen und Lippen, mit seiner Stimme verzaubert hatte und dann wieder in ebendieses Nichts abgetaucht war, auf Nimmerwiedersehen.
    Auf dem Rückweg beschwor ich vor meinem geistigen Auge die Erinnerung an Roman, an seine Berührungen, an seine Blicke und spielte erneut mit dem Gedanken, ihn anzurufen. Wenn ich erst die Ergebnisse meiner Untersuchungen hatte. Dann malte ich mir pathetische Szenen des Wiedersehens aus, das zugleich ein Abschied für immer wäre. Tränen traten mir in die Augen vor Traurigkeit über diese junge Liebe, die, kaum dass sie knospte, schon dem Tode geweiht war.
    Als ich wenig später die Haustür aufschloss und an Ernas Wohnungstür vorbeiging, zögerte ich plötzlich. Seit meinem Treffen mit Prohacek hatte ich nicht mehr mit ihr gesprochen. Und noch ehe ich näher darüber nachdenken konnte, drückte mein Finger bereits auf Ernas Klingelknopf.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Aber eines war sicher: Als Erna die Tür aufmachte, erhellte ein so zauberhaftes Lächeln ihr Gesicht, dass all mein Misstrauen schwand. Wenig später nahm ich auf ihrem Biedermeiersofa Platz und fühlte mich in diesem Moment durch ihre bloße Gegenwart getröstet. Ach was, dachte ich und wischte alle Bedenken beiseite. Wahrscheinlich war die Episode mit Prohacek und meiner Mutter für Erna längst Vergangenheit. Und dann brach all mein Kummer wie ein Wasserfall aus mir heraus. Und als ich den Moosbeerenlikör, der wunderbar und verheißungsvoll in der Karaffe lag, vor dem ersten Schluck wieder absetzte, konnte ich auch mit meiner Angst vor den Laborergebnissen nicht mehr hinterm Berg halten. Erna legte einen Arm um meine Schulter und tat alles, um mich zu trösten. Doch dann, nochwährend sie beruhigend auf mich einsprach, kehrte urplötzlich dieses zähe, dunkle Gefühl zurück, das sich wie eine böse Ahnung um mich legte. Ohne lange darüber nachzudenken, sprach ich die Frage, die mich nun schon so lange umtrieb, laut aus.
    »Warum hast du mir nie erzählt, dass meine Mutter und Prohacek   … also, dass sie ein Paar waren?«
    Ernas Kopf fuhr mit einem Ruck herum. Sie musterte mich verdutzt und ihre schwarzen Augen funkelten.
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    »Na ja, wir haben doch schon so oft miteinander gesprochen. Und   … ich dachte, weil du doch wusstest, dass ich mir Vorwürfe mache. Weil sie am Ende so allein war. Aber sie war’s ja gar nicht.«
    »Da wär ich mir nicht so sicher.« Ernas Stimme klang patzig.
    »Was meinst du damit?«
    »Ach, nichts.«
    Eine Weile lang schwiegen wir beide. Die Uhr in der Ecke tickte überlaut und ich wagte nicht, Erna anzusehen. Schließlich fasste ich mir ein Herz und sagte: »Dr.   Prohacek hat mir erzählt, dass du mit ihm zusammen warst, bevor meine Mutter   …« Ich knetete meine Finger. Das Ganze war mir furchtbar unangenehm, aber ich hatte das Gefühl, der Sache trotzdem auf den Grund gehen zu müssen. »Er sagte, er hätte die Beziehung zu dir beendet, nachdem er meine Mutter kennengelernt hatte.« Meine Stimme erstarb, als ich aufsah und Ernas Augen blitzen sah.
    » Was
hat er gesagt? Dass
er
die Beziehung zu mir beendet hat? Das ist ja wohl die Höhe! Nicht er hat die Beziehung beendet. Sondern ich.«
    »Ja, aber   … Warum hätte er mir das dann erzählen sollen?«
    »Weil er der verlogenste Mensch auf Gottes Erdboden ist.«
    »Wie bitte?«
    »Dieser Mann ist ein Lügner und Verräter! Er hat mich betrogen,er hat mein Geld genommen und ich habe es nie wiedergesehen!«
    Ich war verwirrt. Was erzählte sie mir denn da?
    Erna beugte sich vor, so weit sie konnte, und fixierte mich. Sie war blass geworden und auf ihren Wangen standen hektische rote Flecken. »Er ist ein

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