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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dem, was ich hatte. Nach Oma CharlottesTod hatte auch ich eine Zuwendung erhalten, durch die ich den Kredit, den ich für die Eröffnung meines Geschäfts aufgenommen hatte, auf einen Schlag zurückzahlen konnte. Den Rest hatte ich in meinen Einfraubetrieb investiert, und zwar in Form eines Showrooms, in den ich meine Wohnung verwandelt hatte. Ich mietete einen kleinen Laden in der Altstadt und machte ihn zu einem weiteren Eyecatcher, dem Aushängeschild für Laufkundschaft. Ich beschäftigte auch eine Aushilfe, Sonja, die immer dann im Laden stand, wenn ich für meine Aufträge unterwegs war. Mit einer leisen Sehnsucht dachte ich jetzt an mein kleines Geschäft und dass ich eigentlich bald zurückkehren wollte. Wenn ich dies hier zu einem für mich zufriedenstellenden Abschluss gebracht hätte. Wie dieser Abschluss aussehen könnte, wusste ich nicht. Mir war nur klar, dass ich vorher noch ein paar Dinge in Erfahrung bringen musste.
    Am Nachmittag kam mir das erste Mal der Gedanke, wie es wäre, ganz nach Wien zu ziehen, vielleicht mit Wolf, und hier ein neues Geschäft aufzuziehen. Wolf hätte sicher keine Schwierigkeiten, hier Arbeit zu finden. Er war sowieso viel unterwegs, in Italien und Österreich, schließlich hatte er eine
Reputation
. Ich hatte die Stadt schon immer geliebt, den Wiener Schmäh, die Schönheit und Großartigkeit des Stadtbilds, die Kneipen, in denen man noch essen konnte, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen, und letztlich auch die Wiener. Ein Leben in Wien, ein schöner Gedanke. Spontan nahm ich den Hörer und wählte Wolfs Handynummer – um diese Zeit war er sicher in der Werkstatt. Es tutete, dann knackte es: »Wolf?«, rief ich in den Hörer.
    Statt Wolfs brummiger Stimme ertönte die Stimme einer Frau, einer mir unbekannten Frau. Hatte ich mich verwählt? Doch dann hörte ich ein burschikos-bayerisches: »Des is in der Tat
Wolfs
Telefon.« Sie betonte seinen Namen auf eine, wie ich fand, etwas schnippische Art. Es knackte im Hörer, dann folgte ein Rascheln und Wolf sagte, fast ein wenig atemlos:»Hi, das ist aber eine Überraschung.« Er klang tatsächlich überrascht. Unangenehm überrascht.
    »Ja. Fand ich auch.«
    »Was meinst du?«
    »Ich hatte eigentlich erwartet,
dich
am Telefon zu haben.«
    »Hast du ja auch.«
    »Vorher.«
    »Ach, du meinst   …
Biene .«
    »Biene!« Ich sprach den Namen aus wie eine ansteckende Krankheit.
    »Ja, Sabine Meier, meine Kollegin. Sie hilft mir beim Marmorieren.«
    »Ihr
marmoriert
also zusammen!« Das wurde ja immer besser. Inzwischen bereute ich es bitter, ihn angerufen zu haben. Im Beisein dieser
Biene
.
    »Jetzt komm schon   … Was gibt’s?«
    »Ich   … die Testamentseröffnung war heute.«
    »Ja, dann kommst du sicher am Wochenende heim?«
    Irgendetwas ritt mich plötzlich. Sein, wie es mir vorkam, hastiger, uninteressierter Tonfall oder die Biene im Hintergrund. Jedenfalls hörte ich mich plötzlich sagen: »Nein, das schaffe ich nicht. Es gibt noch so viel zu tun.«
    »Dann sehen wir uns am Wochenende
nicht

    »Nein.«
    »Na dann   …«
    »Ja, tschüss.«
    Als ich aufgelegt hatte, stellte ich mir die schnippische Biene vor, wie sie zufrieden vor sich hin feixte.
     
    Es war inzwischen halb vier, die Sonne flutete die Wohnung, als mir die beiden Sartorius wieder einfielen. Erneut wählte ich und lauschte dem Tuten mit klopfendem Herzen. Nach dem vierten Klingeln sagte eine Frau – sie klang schnarrend und dehnte das Wort in die Länge: »Sartorius.« Ich hatte sie tatsächlich in der Leitung! Obwohl ich natürlich gehofft hatte,dass sich jemand melden würde, hatte ich doch nicht wirklich damit gerechnet. Und so eröffnete ich das Gespräch reichlich unbeholfen: »Ja, hm, halloo. Ich heiße Sternberg, Maja Sternberg. Ich wollte   …«
    »Wenn Sie eine von denen sind, die mir einen neuen Telefonvertrag oder eine Mitgliedschaft im Club der erfolglosen Lottospieler anbieten wollen, dann sparen Sie sich die Zeit. Ich werde nichts unterschreiben und ich werde Ihnen auch meine Kontodaten nicht durchgeben.«
    Dann war es plötzlich still in der Leitung. Sie hatte einfach aufgelegt. Ich überlegte kurz, wählte dann erneut und schoss, kaum dass sie sich mit ihrem Namen gemeldet hatte, los: »Bitte warten Sie! Ich will nichts verkaufen, ich rufe an, weil ich Sie etwas Wichtiges fragen muss.«
    Als Antwort erhielt ich nur ein Grunzen, und weil ich Angst hatte, sie würde auch diesmal gleich wieder auflegen, sagte ich hastig: »Kennen

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