Hercule Poirot schläft nie
mit Kameras rannten geschäftig durch die Me n ge und stürzten wie auf Kommando herbei, als Japp aus dem Wagen stieg.
»Nichts für Sie vorläufig.« Japp winkte sie mit einer Handbewegung beiseite. Er nickte Poirot zu. »Da sind Sie ja schon. Gehen wir hinein.«
Sie traten rasch ins Haus, die Tür fiel hinter ihnen zu, und sie standen auf kleinstem Raum zusammengedrängt am Fuß einer leiterähnlichen Treppe.
Auf der obersten Stufe erschien ein Mann. Als er Japp erkannte, rief er: »Hier herauf, Sir.«
Japp und Poirot stiegen die Treppe hinauf.
Der Mann oben öffnete eine Tür auf der linken Seite, und sie traten in ein kleines Schlafzimmer.
»Bestimmt möchten Sie gern, dass ich kurz die wesen t lichen Punkte zusammenfasse, Sir.«
»Sehr richtig, Jameson. Also, was hätten wir da?«
Bezirksinspektor Jameson begann seinen Vortrag.
»Die Verstorbene ist eine gewisse Mrs Allen, Sir. Teilte die Wohnung hier mit einer Freundin – einer Miss Ple n derleith. Diese Miss Plenderleith war übers Wochenende aufs Land gereist und kam heute Morgen zurück. Sie schloss die Tür auf und war überrascht, dass niemand da war. Gewöhnlich kommt um neun Uhr eine Frau zum Saubermachen. Sie begab sich als erstes nach oben auf ihr Zimmer, das ist dieses hier, und ging dann zum Zimmer ihrer Freundin gegenüber. Die Tür war von innen ve r schlossen. Sie rüttelte an der Klinke, klopfte und rief, bekam aber keine Antwort. Schließlich wurde sie unruhig und rief beim Polizeirevier an. Das war um zehn Uhr fünfundvierzig. Wir kamen sofort und brachen die Tür auf. Mrs Allen lag zusammengesunken auf dem Fußb o den. Sie hatte eine Schusswunde im Kopf und eine Pist o le in der Hand – eine Webley, Kaliber fünfundzwanzig. Es schien ein klarer Fall von Selbstmord.«
»Wo befindet sich Miss Plenderleith jetzt?«
»Unten im Wohnzimmer, Sir. Eine sehr kaltblütige, tüchtige junge Dame, würde ich sagen. Eine mit Köp f chen!«
»Ich werde mich nachher mit ihr unterhalten. Jetzt muss ich erst mal zu Brett.«
Begleitet von Poirot ging er über den Flur und betrat das gegenüberliegende Zimmer. Ein hoch gewachsener, älterer Mann blickte auf und nickte.
»Tag, Japp, gut, dass Sie da sind. Eine komische Sache, das Ganze.«
Japp trat zu ihm. Hercule Poirot ließ unterdessen seinen prüfenden Blick durch das Zimmer schweifen.
Es war wesentlich größer als das, welches sie soeben verlassen hatten. Während das andere ein einfaches Schlafzimmer gewesen war, besaß dieses ein Erkerfenster und war unverkennbar ein Schlafzimmer, das gleichzeitig als Salon diente.
Die Wände waren silbergrau, die Decke smaragdgrün gestrichen. An den Fenstern hingen modern gemusterte Vorhänge in Silber und Grün. Es gab einen Diwan mit einem leuchtend smaragdgrünen gestepppten Seide n überwurf und zahlreichen silbernen und goldenen Sof a kissen. Außerdem einen antiken Schreibtisch aus Nus s baumholz, eine Nussbaumkommode mit Aufsatz und etliche moderne silberglänzende Chromstühle. Auf einem niedrigen Glastisch stand ein großer Aschenbecher voll Zigarettenstummeln.
Hercule Poirot schnupperte ein paarmal diskret in der Luft. Dann gesellte er sich zu Japp, der neben der Leiche stand.
Auf dem Fußboden lag zusammengekrümmt, wie er von einem der Chromstühle geglitten war, der Körper einer jungen Frau von vielleicht siebenundzwanzig Ja h ren. Sie hatte blondes Haar und feine Züge. Das Gesicht war nur wenig geschminkt. Es war ein hübsches, ve r träumtes, vielleicht ein klein wenig dummes Gesicht. Die linke Schläfe war von geronnenem Blut bedeckt. Die Fi n ger der rechten Hand umschlossen eine kleine Pistole. Bekleidet war die junge Frau mit einem einfachen, bis zum Hals geschlossenen dunkelgrünen Kleid.
»Na, Brett, was ist das Problem?«
Japp starrte auf die zusammengekrümmte Gestalt.
»Die Lage stimmt«, sagte der Arzt. »Wenn sie sich e r schossen hätte, wäre sie vom Stuhl vermutlich in genau diese Lage gerutscht. Die Tür war abgeschlossen und das Fenster von innen verriegelt.«
»Das wäre also in Ordnung. Was stimmt dann nicht?«
»Sehen Sie sich die Pistole an. Ich habe sie nicht ang e rührt, habe auf die Leute von der Spurensicherung gewa r tet. Aber es ist leicht zu erkennen, was ich meine.«
Poirot und Japp ließen sich nebeneinander auf die Knie nieder und betrachteten die Pistole aus der Nähe.
»Ich verstehe, was Sie meinen.« Japp erhob sich. »Die Waffe liegt in der Innenwölbung der Hand. Es sieht so aus, als halte
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