Hercule Poirot schläft nie
mein Zimmer gegangen. Ich hab mich ein bisschen zurechtgemacht und ging anschließend hinüber zu Barbara – Mrs Allen, meine ich. Die Tür war abgeschlossen. Ich habe an der Klinke gerüttelt und geklopft, aber keine Antwort bekommen. Da bin ich hinuntergelaufen und habe die Polizei anger u fen.«
»Pardon!«, warf Poirot ein. »Kam Ihnen nicht der G e danke, die Tür aufzubrechen – mit Hilfe eines der Chau f feure hier aus der Nachbarschaft?«
Ihre kühlen graugrünen Augen richteten sich auf ihn und musterten ihn forschend von oben bis unten.
»Nein, daran habe ich, glaube ich, gar nicht gedacht. Ich nahm an, falls etwas passiert war, sei die richtige Adresse, an die man sich zu wenden hätte, die Polizei.«
»Demnach vermuteten Sie also, Mademoiselle, dass ta t sächlich etwas nicht stimmte?«
»Natürlich.«
»Weil Sie auf Ihr Klopfen keine Antwort bekamen? A ber es wäre doch möglich gewesen, dass Ihre Freundin ein Schlafmittel genommen hatte oder etwas Ähnliches.«
»Sie nahm nie Schlafmittel«, kam die scharfe Antwort.
»Oder es hätte sein können, dass sie weggegangen war und ihre Tür abgeschlossen hatte.«
»Wozu hätte sie abschließen sollen? Außerdem hätte sie dann bestimmt eine Nachricht für mich hinterlassen.«
»Und das hat sie nicht – eine Nachricht für Sie hinte r lassen? Sie sind ganz sicher?«
»Völlig. Die hätte ich sofort gesehen.« Die Schärfe in ihrem Ton war jetzt unverkennbar.
»Sie haben nicht versucht, durch das Schlüsselloch zu sehen, Miss Plenderleith?«
»Nein«, erwiderte Jane Plenderleith nachdenklich. »Das kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Aber ich hätte ja auch nichts sehen können, nicht? Es hätte ja der Schlüssel gesteckt.«
Sie sah Japp aus großen, unschuldigen Augen fragend an. Poirot musste innerlich lächeln.
»Sie haben natürlich völlig richtig gehandelt, Miss Ple n derleith«, erklärte Japp. »Vermutlich hatten Sie keinen Grund zu der Annahme, dass Ihre Freundin Selbstmord begangen haben könnte?«
»O nein.«
»Sie hatte keinen bedrückten oder irgendwie bekü m merten Eindruck gemacht?«
Es trat eine Pause ein – eine merkliche Pause, ehe sie antwortete.
»Nein.«
»Haben Sie gewusst, dass sie eine Pistole besaß?«
Jane Plenderleith nickte. »Ja, noch von Indien her. Sie bewahrte sie in einer Schublade in ihrem Zimmer auf.«
»Hm. Hatte sie einen Waffenschein?«
»Ich glaube schon. Genau weiß ich’s nicht.«
»Ja, Miss Plenderleith, dann erzählen Sie mir jetzt bitte, was Sie von Mrs Allen wissen, wann Sie sie kennen ler n ten, wo ihre Verwandten leben – einfach alles.«
Jane Plenderleith nickte.
»Ich kannte Barbara seit etwa fünf Jahren. Wir haben uns auf einer Auslandsreise kennen gelernt – in Ägypten, um genau zu sein. Sie befand sich auf der Rückreise von Indien. Ich selber war eine Weile in Athen auf der Brit i schen Schule gewesen und wollte, ehe ich nach Hause fuhr, noch für ein paar Wochen nach Ägypten. Wir trafen uns auf einer Schiffsreise, den Nil hinauf. Wir freundeten uns an, stellten fest, dass wir uns sympathisch waren. Ich suchte damals gerade jemanden, der mit mir eine Wo h nung oder ein kleines Haus teilen würde. Barbara hatte niemand auf der Welt. Wir dachten, wir würden uns gut vertragen.«
»Und haben Sie sich gut vertragen?«, fragte Poirot.
»Ausgezeichnet. Wir hatten beide unseren eigenen Freundeskreis – Barbara mehr in der feinen Gesellschaft, während meine Freunde eher aus dem Künstlermilieu stammen. Wahrscheinlich hat es gerade deswegen so gut funktioniert.«
Poirot nickte.
»Was wissen Sie von Mrs Aliens Familie und ihrem L e ben, ehe sie Sie kennen lernte?«, fragte Japp weiter.
Jane Plenderleith zuckte die Achseln. »Nicht sehr viel eigentlich. Ihr Mädchenname war Armitage, glaube ich.«
»Und ihr Mann?«
»Mit dem war wohl nicht viel los. Soviel ich weiß, hat er getrunken. Ist wohl schon ein oder zwei Jahre nach der Heirat gestorben. Es gab ein Kind, ein kleines Mädchen; es starb mit drei Jahren. Barbara hat nicht viel von ihrem Mann gesprochen. Ich glaube, sie hat ihn in Indien gehe i ratet, als sie ungefähr siebzehn war. Danach sind sie, s o viel ich weiß, nach Borneo gegangen oder an irgendeinen andren gottverlassenen Fleck, wo man Leute hinschickt, die nichts taugen. Aber da Barbara das Thema offensich t lich unangenehm war, vermied ich es natürlich möglichst, darüber zu sprechen.«
»Wissen Sie, ob Mrs Allen in finanziellen Schwierigke i ten
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