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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bezaubernd aus. Immerhin war ihr weißes, leichtes Kleidchen doch wohl ein bisschen gar zu billig. Nun – dem würde Mr Lee ja in Zukunft abhelfen! Er war ja förmlich verliebt in seine Enkelin. So waren ältere Herren nun einmal: Ein junges, frisches Gesicht verhexte sie!
    «Weißwein oder Rotwein?», flüsterte Tressilian Mrs George ins Ohr. Dabei beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Walter, der zweite Diener, schon wieder das Gemüse vor der Bratensauce servierte – nach allem, was er ihm eingeschärft hatte!
    Tressilian reichte das Souffle herum. Nun, da sein Interesse an den Kleidern der Damen und Walters Ungeschicklichkeiten abgeflaut war, fiel ihm erst auf, wie still heute Abend jedermann war. Das heißt, nicht eigentlich still. Der südafrikanische Herr zum Beispiel redete für drei, und auch die anderen Herrschaften sprachen miteinander, aber alles wirkte so krampfhaft. Es herrschte eine seltsame Atmosphäre.
    Mr Alfred sah richtiggehend krank aus, als hätte er einen Schock gehabt. Er stocherte auf seinem Teller herum, ohne zu essen. Seine Frau machte sich sichtlich Sorgen um ihn. Sie sah ihn dauernd an – unauffällig natürlich. Mr George war sehr rot im Gesicht. Er verschlang sein Essen, ohne überhaupt wahrzunehmen, was er aß. Mrs George aß wie ein Vögelchen. Miss Pilar hingegen schien es herrlich zu schmecken, und sie unterhielt sich großartig mit dem Südafrikaner. Er war offensichtlich in sie verliebt. Die beiden schien nichts zu bedrücken.
    Mr David? Tressilian tat er Leid. Er glich so sehr seiner Mutter, und er sah noch so jung aus. Aber ein Nervenbündel. Da – jetzt hatte er sogar sein Glas umgeworfen. Tressilian trocknete schnell auf und stellte ein neues Glas hin. Mr David schien gar nichts von dem Zwischenfall bemerkt zu haben, sondern starrte mit leichenblassem Gesicht vor sich hin.
    Übrigens komisch, wie bleich Horbury vorhin geworden war, als er hörte, dass ein Polizeiinspektor ins Haus gekommen sei. Fast als ob –
    Tressilian wurde jäh aus seinen Überlegungen gerissen. Walter hatte eine Birne von der Platte fallen lassen, die er eben herumreichte. Diener nannte sich so etwas. Stallburschen sollten diese Jungen werden.
    Da – Mrs Alfred war aufgestanden. Sie glitt um den Tisch. Wirklich eine elegante Erscheinung in dem extravaganten Taftkleid. Eine schöne und bezaubernde Frau.
    Tressilian servierte den Herren Portwein und verließ dann das Speisezimmer. Gleich darauf trug er das Tablett mit dem Kaffee ins Wohnzimmer. Die vier Damen saßen schweigsam und eher gezwungen beisammen.
    Als Tressilian wieder herauskam, hörte er, wie die Tür zum Speisezimmer geöffnet wurde. David Lee trat in die Halle und ging hinüber ins Wohnzimmer.
    In der Küche setzte sich Tressilian müde auf einen Stuhl. Er war bedrückt. Heiliger Abend, und all diese Spannung und Unrast. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Nach einer Weile erhob er sich mühsam, um im Wohnzimmer die Kaffeetassen abzuräumen. Der Raum war jetzt leer. Nur Lydia stand, halb versteckt durch den Vorhang, am Fenster vorn und sah in die Nacht hinaus. Nebenan wurde Klavier gespielt.
    Aber warum spielte Mr David den «Totenmarsch»? Denn das klang gedämpft herüber, ein Trauermarsch. Irgendetwas Bedrohliches entwickelte sich, ganz bestimmt. Tressilian schüttelte betrübt den Kopf und ging langsam mit dem Kaffeegeschirr hinaus.
    Erst als er wieder in der Küche stand, hörte er den Lärm von oben: ein Splittern von Porzellan, umstürzende Möbelstücke, eine ganze Reihe von schweren Stößen und krachenden Geräuschen.
    «Allmächtiger!», dachte Tressilian. «Was um Gottes willen treibt denn der alte Herr? Was ist da oben los?»
    Und dann ertönte ein Schrei – hell und schrill –, ein entsetzliches, angsterfülltes Aufheulen, das in einem erstickten Gurgeln erstarb.
    Tressilian blieb einen Augenblick wie gelähmt stehen; aber dann rannte er in die Halle hinaus und die Treppe empor. Andere stießen zu ihm. Der fürchterliche Schrei schien im ganzen Haus gehört worden zu sein. Alles hastete die geschwungene Treppe hinauf, an der großen Nische vorbei, in der weiße, unheimliche Statuen leuchteten, und durch den langen Korridor auf Simeon Lees Zimmertür zu. Mr Farr und Mrs David standen bereits dort. Sie lehnte sich gegen die Wand, und er versuchte; die Klinke herunterzudrücken.
    «Die Tür ist abgeschlossen», flüsterte er. «Abgeschlossen.» Harry Lee drängte sich vor, schob ihn beiseite und versuchte seinerseits, die

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