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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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im Safe. Die Herren fanden das Kennwort zum Kombinationsschloss im Notizbuch des Toten. Im Safe lag nur ein leerer Wildlederbeutel. Unter all den Papieren, die der Kassenschrank enthielt, war einzig das vor fünfzehn Jahren abgefasste Testament von Bedeutung.
    Abgesehen von verschiedenen Vergabungen und Legaten, lautete der Verteiler sehr einfach. Alfred Lee war Erbe der Hälfte des väterlichen Vermögens. Die andere Hälfte sollte zu gleichen Teilen an die übrigen Kinder gehen, also an Harry, George, David und Jennifer.

25. Dezember
     
    H ercule Poirot spazierte in der hellen Vormittagssonne des Weihnachtstags durch den Garten von Gorston Hall. Hier, an der Südseite des weitläufigen Hauses, war eine große, von geschnittenen Eibenhecken eingefasste Terrasse. Poirot bewunderte die Miniaturgärtchen, die überall zwischen den Steinplatten und Pflanzen angelegt worden waren.
    « C’est bien imaginé, ca » , murmelte er vor sich hin.
    In der Ferne konnte er zwei Gestalten sehen, die sich einem kunstvoll angelegten Teich näherten. Pilar war leicht zu erkennen, und im ersten Augenblick glaubte Poirot, dass die andere Figur Stephen Farr sei; aber dann sah er, dass Pilars Begleiter Harry Lee war. Er schien sich sehr eifrig seiner hübschen Nichte zu widmen. Manchmal warf er den Kopf zurück und lachte, dann beugte er sich wieder zu ihr hinunter.
    «Ein Mensch, der bestimmt nicht tief trauert», sagte Poirot laut zu sich selber.
    Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Magdalene Lee stand da und sah ebenfalls den beiden sich entfernenden Gestalten nach. Dann wandte sie den Kopf und lächelte Poirot betörend an.
    «Es ist ein so herrlich sonniger Tag, dass man kaum an die Gräuel der vergangenen Nacht zu glauben vermag, nicht wahr, Mr Poirot?»
    «Ja, tatsächlich, Madame.»
    Magdalene seufzte.
    «Ich war noch nie in eine solche Tragödie verwickelt. Ich bin - ich bin wirklich kaum erst erwachsen. Wahrscheinlich blieb ich zu lange ein Kind. Das ist immer verhängnisvoll.» Sie seufzte wieder. «Pilar ist so ungewöhnlich gefasst. Das macht wohl das spanische Blut. Es ist alles so merkwürdig, nicht wahr?»
    «Was finden Sie merkwürdig, Madame?»
    «Die Art und Weise, wie sie hier auftauchte, sozusagen aus heiterem Himmel.»
    «Man hat mir gesagt, dass Mr Lee längere Zeit nach ihr suchen ließ. Er hat mit dem Konsulat in Madrid Kontakt aufgenommen und mit dem Vizekonsul von Aliquara, wo Pilars Mutter gestorben ist.»
    «Er hat ein großes Geheimnis aus alldem gemacht», sagte Magdalene. «Alfred hat nichts davon gewusst. Auch Lydia nicht.»
    «Ach?»
    Magdalene trat etwas näher an Poirot heran. Er konnte das feine Parfüm riechen, das sie verwendete.
    «Wissen Sie, Mr Poirot, es gibt da irgendeine Geschichte mit Estravados, Jennifers Mann. Er starb sehr bald nach ihrer Heirat, und zwar unter besonderen Umständen. Alfred und Lydia wissen davon. Ich glaube, es war etwas ziemlich Unerquickliches.»
    «Das», sagte Poirot, «ist wirklich traurig.»
    «Mein Mann findet – und ich bin durchaus seiner Ansicht –, dass die Familie ein wenig eingehender über die Abkunft des Mädchens unterrichtet werden sollte. Schließlich war ihr Vater ein Verbrecher.»
    Sie hielt inne, aber Hercule Poirot sagte kein Wort. Er schien in die Schönheit der winterlichen Landschaft um Gorston Hall versunken zu sein.
    «Ich werde das Gefühl nicht los», fuhr Magdalene fort, «dass die Art, wie mein Schwiegervater ermordet wurde, sehr bedeutungsvoll ist. Dieser Mord war so ganz unenglisch.»
    Hercule Poirot wandte sich ihr langsam zu. Seine klugen Augen trafen die ihrigen mit dem Ausdruck erstaunter Frage.
    «Ach, eher von spanischer Art, meinen Sie?»
    «Nun, sie sind grausam, oder nicht?» Magdalenes Worte hatten etwas Kindisch-Naives. «All diese Stierkämpfe und so.»
    «Wollen Sie damit sagen, dass Sie glauben, Señorita Estravados habe ihrem Großvater die Kehle durchgeschnitten?» Hercule Poirot stellte diese Frage mit amüsiertem Lächeln.
    «Aber nein, Monsieur Poirot.» Magdalene war entsetzt. «Ich habe nichts Derartiges gesagt. Wirklich nicht.»
    «Nein, das haben Sie vielleicht wirklich nicht.»
    «Aber ich glaube, dass sie eine verdächtige Erscheinung ist. Schon nur die Art, wie sie heimlich etwas vom Boden aufhob gestern Abend.»
    Poirots Stimme klang plötzlich ganz anders. Scharf fragte er: «Sie hat gestern Abend etwas vom Boden aufgehoben?»
    Magdalene nickte. Ihr kindlicher Mund verzog sich böse.
    «Ja, kaum

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