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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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seines Herzens und seiner Heimat
    ihm eingeben. Aber er ist, in gemeinsamen Gaienhofener Tagen, ein
    Landarzt, ein Tier- und Menschenfreund, wie es wenige gibt. Er liebt
    sein Reichsstädtchen Reutlingen, als sei die ganze Welt aus diesem
    Punkte zu kurieren. Er liebt seine Frau Dora, daß es eine Art hat, und
    wenn der »Rosendoktor« auch überfließt von Schatzi und Mausi und
    Herzi, so finden sich darin doch auch schöne Seiten einer frühesten
    Verehrung, die der Klingsor-Dichter erfahren hat.
    Dieser schwäbische Landarzt Ludwig Finckh erreicht mitunter die
    originelle Lebendigkeit eines Justinus Kerner. Er ist kurzweg der
    Rosendoktor, il pazzo delle rose, und darin wird er von keinem
    andern übertroffen. Er ist mit seiner hohen Stirn, seinem
    eigensinnigen, ein wenig fetten, sinnlichen Kinn, mit seiner
    Samtjoppe und seiner »Fliege« unter der Nase eine Gestalt, die bei
    einiger mehr Selbsteingenommenheit, bei weniger Familienglück und
    Ahnenkult eine Art schwäbischen Tartarins und Charlie Chaplins
    hätte werden können. Nun, dieser liebe Ludwig Finckh, der seinen
    Bernhardinerhund »Isolda« nennt und seinen Esel »Lump« und den
    man nahezu zum Brettldichter gestempelt hätte, er ist Hesse von
    Tübingen her verbunden, und sie finden sich am Bodensee wieder
    und bauen sich beide in Gaienhofen hübsche kleine Villen und angeln
    und segeln und treiben Gartenbau und Kinderzucht.
    Ja, und noch etwas mehr: sie suchen den Homer und den Ossian
    wieder lebendig zu machen. Sie haben es ziemlich indianerhaft; der
    ganze Untersee gehört ihnen: von Stein am Rhein bis Konstanz und
    von Radolfzell bis nach Steckborn hinüber. Es ist das Gebiet, in dem
    auch die Reichenau liegt, Susos mailichte Landschaft. Sie haben da
    ihre Segelboote und obliegen der Natur und dem Schmetterlingsfang.
    Sie führen ein Jäger- und Fischerleben wie nur Walt Whitman auf
    dem Michigan-See und Hamsun oben in seinen Fjorden. Finckh ist
    dabei sogar der Lebhaftere, Buntere; Hesse mehr der Zuschauer und
    Mitmacher, der scheue Prinz, dem der schwäbische Dialekt und die

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    Kraftworte nicht ohne weiteres über die Zunge wollen; der gerne
    nach Möglichkeit Begeisterte, der aber Pausen kennt und, einmal
    einschnappend, in seiner tieferen Traumesweise sich gefährlich
    festbeißt. Während Finckh sein Gezerre mit Hunden und Eseln hat,
    hält Hesse sich lieber am grauen Sunde und Grunde auf als bei der
    schimmernden Spechthaftigkeit. Er hat eine Dimension mehr als der
    ungebrochen kindsköpfige Freund. Er weiß zugleich zu erleben und
    das Erlebnis zu registrieren, zu vergleichen, abzumessen und auf
    hundert andere delikate Dinge witzig oder verdrießlich zu beziehen.
    Finckh sieht mit immer denselben Sonntagsaugen nur sein
    einzigartiges Schwabenland und hat das Bedürfnis, sein Glück an
    jede Glocke der lustigen Bodensee-Steamer, an jeden Wimpel, an
    jeden Kirchturm, an jeden grünen Vogelschnabel zu hängen. Hesse
    bezieht das Alemannische stets auf das Große und Ganze. Er ist nicht
    nur Schwabe, er ist noch etwas mehr. Er wird, wenn der Krieg
    ausbricht, nicht »Deutschland über alles« singen; er wird wissen,
    daß die Rotkehlchen und Kuckucke weder deutsch noch französisch,
    sondern daß sie eine Welt- und Völkergabe sind, gleich der Poesie. Er
    wird an seinem Alemannentum festhalten, aber auch die Schweizer
    und Elsässer dazurechnen und selbst diejenigen, die frankophil
    empfinden. Er ist treu, wenn er eine Parole einmal ergriffen hat, und
    es macht Schwierigkeiten, sie ihm wieder zu entwinden. Im Grunde
    ist er auch schwäbischer als Finckh, nämlich im alten deutschen, im
    universalen Sinn, der den Schwaben seit ihrer Staufenzeit eignet.
    Auch in mehr privaten Dingen unterscheidet sich Hesse von seinem
    Nachbarn gar sehr. Auch da ist er tiefer, stiller, zäher. Seine Ehe
    könnte ihm eine Freundschaft nicht kürzen. Darin ist Finckh anders.
    Er wird sich als ein geborener »Kindermensch« ganz in seine Familie
    einbuddeln und mehr und mehr den Freund als entbehrlich
    empfinden. Die Freundschaft aber gehört zu den Grundzügen von
    Hesses Wesen; zu seinem Kern, zu seinen Lebensbedingungen. Darin
    besonders ist er Romantiker und noch aus jener Garde, zu der Jean
    Paul, Grillparzer, Mörike und andere zählen. Darin ist er am
    wenigsten modern. Die Freundschaft spielt in allen seinen Romanen
    die größte Rolle. »Leibgeber« ist auch für Hesse der Freund. Von der
    Ich-Spiegelung im »Lauscher« angefangen bis zu der

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