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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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hätte er auch
    die romantische Philosophie noch lebendig und im Mittelpunkte der
    literarischen Debatten gefunden. Die Biographie Gottfried Kellers
    konnte ihn belehren. Auch dieser hatte, statt das Paris der Corot und
    Courbet aufzusuchen, sich in die Provinz, nach München abdrängen
    lassen, aber sehr bald die geschichtsphilosophischen Tableaus eines
    Cornelius mit der berlinischen Romantik vertauscht. Kellers beste
    Sachen (der »Grüne Heinrich« nicht ausgenommen) sind in der
    Umgebung der Bettina und des Varnhagen von Ense, nicht im
    friedlichen Hottingen entstanden. Es ist längst nicht ausgemacht, daß
    der Romantiker eine idyllische Umgebung braucht, um bestehen und
    sich entfalten zu können.
    Hesses Interessen in Basel gingen über den Durchschnitt weit
    hinaus;
    in
    Gaienhofen
    scheinen
    sie
    zurückgedrängt,
    ja
    abgeschnitten. Er hat eine Vorliebe für die beiden größten deutschen
    Präzeptoren, für Goethe und Nietzsche, bekundet; in Gaienhofen
    scheint es mitunter, als hielte er seine Lehrjahre für beendet,
    obgleich das Thema der Erziehung und Selbsterziehung für Hesse gar
    nicht enden kann.
    In Basel hatte er sich bereits mit der Moral seines Berufes, mit der
    Fragwürdigkeit des zeitgenössischen Dichters zu beschäftigen
    begonnen. Erstaunlich nahe hatte er das Schicksal des Isolierten und
    Psychopathen gestreift, das die späteren Schriften Nietzsches, die
    Schriften Strindbergs durchzieht. In Gaienhofen aber scheinen die
    philosophischen Akten geschlossen.

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    Und doch hat dieser kleine Ort für Hesse vielleicht den Sinn, daß
    jene aufrührenden Fragen ihm allzu nahe gekommen, bedrohlich
    geworden waren und daß er sich eben darum zur Natur und
    Gesundheit, in die Geborgenheit der Familie und des Bürgertums
    flüchtet. Ein Verlangen nach Ruhe und Stille, nach Harmonie und
    marmorner Glätte bestrickt ihn; und dies Verlangen trifft mit der
    Wesensart seiner Gattin, dieser seltsamen Bernoulli zusammen, in
    der er die geliebte und doch auch gefürchtete Stimme seiner Mutter
    zu vernehmen glaubt. Diese Mutter aber schätzte nicht, was der ein
    wenig flagellantisch veranlagte, allem Lockenden, Sinnenhaften,
    Verführerischen geneigte Sohn ihr an Proben einer unfrommen
    Denkart vorlegte. Ein einziges Wort, das den roheren Trieb verriet,
    hatte genügt, ihr die »Romantischen Lieder« und so auch »Eine
    Stunde hinter Mitternacht« abstoßend erscheinen zu lassen. Nun
    erwirkt ihre Platzhalterin, die Ehefrau, daß sich der Dichter vorzeitig
    um eine ausgeglichene, nicht ganz wahre Fassade bemüht; daß er
    von all den kritischen Fragen, die ihn ins breitere Leben führen
    mußten, sich lossagt und nur noch an Wohllaut und Weisheit zu
    denken scheint.
    Bei näherem Zusehen ist es nicht ganz so. Hesse verzichtet zwar auf
    den intellektuellen Apparat; aber er ist weit davon entfernt, mit
    seiner neuen Situation zu paktieren. Das eine erweisen die
    damaligen Bücher, das andere die Bodensee-Berichte aus dem
    »Bilderbuch«. Da ist vor allem die Skizze »Im Philisterland« vom
    Jahre 1904, also gleich aus der ersten Gaienhofener Zeit. Der Autor
    spricht, siebenundzwanzigjährig, von »Jugendwonnen«, die vorüber
    sind. »Wie schön warst du!« Er muckt gegen die ihn umgebende
    neue Atmosphäre auf: »Sogar ein Fäßchen Wein liegt im Keller, mit
    einem freundlichen Hahnen im Spundloch, und in meiner alten
    Blechschachtel liegt beständig Tabak genug. Es geht mir also gut,
    sehr gut; selbst meine Katze wird fett, sie bekommt Milch, soviel sie
    mag.« Und er nimmt leise Mantel, Hut und Stock und verschwindet
    hinaus in die Nacht; und die »Lauscher«-Stimmung ist wieder, oder
    noch immer da. »Wir werden älter«, heißt es gar gesetzt und
    seniorenhaft, »tun den Kranz aus den Haaren und finden unsere
    Ruhe.«

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    Und aus derselben Zeit die Skizze »Wenn es Abend wird« (1904).
    Dann beleuchtet die verhängte Messinglampe die alte Wohnstube mit
    ihren matten Holzwänden, die schmale Wandbank, den starken
    Eichentisch, die bleichen Holzschnitte an der Wand. Auf dem Tisch
    liegt ein großer Quartband aus dem vorigen Jahrhundert, eine
    Übersetzung des Ossian (den auch Waiblinger gelesen hat).
    »Daneben stehen mein Glas und ein Krug Meersburger.« Und die
    Frau beginnt leise Klavier zu spielen in der Nebenstube. Erst kleine
    verwehende Stücke von Schumann, und da kommt »eine der
    närrischen Stunden, in denen wir rasten und nichts tun, während
    doch die Phantasie, das Gedächtnis, die

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