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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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»Gertrud«, und »Gertrud« ist gerade derjenige Roman, der das
    Schwanken des Künstlers zwischen Gral und Begehren, zwischen
    himmlischer und irdischer Liebe darstellt. Diese Jünglinge wollen von
    ihren Freundinnen getröstet, geleitet, betreut, genommen sein, und
    empfinden das verliebte Wesen doch als Absurdität und Irrtum. Sie
    haben Hemmungen und versagen, die Liebe gelingt ihnen nicht. Sie
    verlangen zu wenig und erwarten zu viel; ja sie empfinden alle

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    Skrupel und bösen Sensationen eines Vergehens, einer Verlockung
    zu Dieberei und Verbrechen. Es ist nicht nur ländliche Verlegenheit.
    Es ist eine Glut, die ihnen die Sprache verschlägt, und ein Mitklingen
    von widerstrebenden dunklen Erinnerungen.
    Man sieht: das Leben am Bodensee, in seiner bewußten Kulturferne,
    hat doch Format. Es entspricht einer damals beginnenden
    allgemeineren Neigung, der Großstadt und der Zivilisation zu
    entgehen. Man möchte, in der Südsee, in den Wäldern Kanadas oder
    in Lappland, die robuste Gesundheit des Primitiven und möchte, in
    all der Kulturwirrnis, die unverwirrbaren Urbilder wiederfinden. In
    dieser Bodensee-Zeit entsteht ein kleines Prosastück »Der Brunnen
    im Maulbronner Kreuzgang«, und es ist eine tiefe Erinnerung: »Lied
    meiner Jugend! Kein Ton der Welt sprach so zu mir wie du, und dich
    hatte ich vergessen können!« Und man lauscht, und der Liedbrunnen
    rauscht gar vielfältig in Hesses Büchern. Viele Brüder und Urbilder
    hat er gehabt; er ist oft und gut belauscht worden. So nur ist es
    möglich, daß das »kleine Abtsbrünnlein« im »Knulp«, das »noch
    immer geheimnisvoll wie vor all den verflossenen Jahren im
    Erdgeschoß eines uralten Hauses entsprang und in der seltsam
    klaren Dämmerung seiner Quellstube zwischen den Steinplatten
    rauschte« –, daß dieses Abtsbrünnlein zu einem Bilde des
    mystischen Lebens selber wird.
    Und es entsteht jene vielgedruckte Probe Hessescher Prosa, die
    kleine Erzählung »Der Wolf«, als ein frühestes Auftauchen des
    Steppenwolf-Motivs. Drei Wölfe im französischen Jura haben sich aus
    ihrer Einsamkeit aufgemacht und fallen, vom Hunger getrieben, in
    die Ställe der Bauern von St. Imer. Zwei werden erschlagen, der
    dritte entkommt verwundet über den Schnee auf den Berg
    Chasseral, wo eben der rote Mond aufgeht. Der Flüchtling wird von
    den Bauern, die seiner Blutspur folgen, umstellt und ebenfalls
    erschlagen. Vorher aber sitzt er, abgetrieben und traurig, auf der
    Höhe des verschneiten Berges, in Not und Einsamkeit, fühlt den Tod
    herankommen und sieht so den roten Mond aufgehen. Des Dichters
    Sympathie ist bei dem schönen, gehetzten Tier, wie sie später im
    »Kurgast« bei den beiden Mardern ist, die mit so leichten und
    behenden Sprüngen zwischen all dem Krankengetue ihren Käfig
    durchmessen. Die Brutalität der Verfolger spiegelt sich im Weh der

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    erliegenden Kreatur. »Keiner«, sagt der Dichter von den Menschen,
    »sah die Schönheit des verschneiten Forstes, noch den Glanz der
    Hochebene, noch den roten Mond.«
    Jene Zurückgezogenheit von Gaienhofen, jener Verzicht auf die
    »modernen Ideen«, auf Philanthropie und soziale Fragen, auf Marx
    und Bakunin und Großstadtelend und Kokottenwesen –: all dies
    begünstigt eine Versunkenheit in die Natur; ein Praktizieren und
    Ausbauen der »Camenzind«-Parole. Ein Ideen-Studium, wenn auch
    kein intellektuelles, ist schließlich auch das abgesonderte
    Sicheinträumen in diejenigen Bilder, die eine geistige Tragkraft
    haben. Ein Ideen-Studium ist auch das Sublimieren einiger weniger
    Urphänomene nach Goethescher Art. Die Sprachbilder werden immer
    mehr isoliert, immer mehr von Ballast gereinigt, bis sie von selbst zu
    atmen und auszuströmen beginnen. So müht sich der Dichter Han
    Fook in Hesses »Märchen« mit dem Umriß der Erscheinung; so dreht
    und wendet, durchleuchtet und glüht er die Bilder aus, bis schließlich
    der Spiegel lebendiger, echter ist als die Wirklichkeit. Und so vergißt
    man es nicht mehr, wenn Hesse in einer Reiseskizze vom Gotthard
    (im »Bilderbuch« unter »Verschiedenes«) die ganze Erzählung so
    vorbereitet und aufbaut, daß das einsame Flügelspiel eines
    kreisenden Steinadlers zum unerhört stummen, fernen und
    majestätischen Schauspiel der Dichterseele selbst wird. Wort, Dichter
    und Gegenstand werden identisch und erlangen so jenes Gewicht
    und jene Fülle wieder, die das entwertete heutige Leben nicht mehr
    besitzt.
    Hesse bringt für solche

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