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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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in »Gertrud« heißt,
    begriffen, daß ihn »von allen unsichtbaren Mächten die Musik am
    stärksten zu fassen und zu regieren bestimmt sei«. Es braucht nicht
    Beethoven oder Bach zu sein –: daß überhaupt Musik in der Welt ist,
    daß ein Mensch zuzeiten bis ins Herz von Takten bewegt und von
    Harmonien durchflutet werden kann, das hat für ihn »immer wieder
    einen tiefen Trost und eine Rechtfertigung alles Lebens bedeutet«.
    Aber die Musik ist ein verzehrender Trost und eine gefährliche
    Rechtfertigung. Schon in »Gertrud« führt dieser Höhen- und
    Tiefentaumel, dieser Hang zum Außerordentlichen, zur betäubenden
    Sensation –, schon dort führt er zu einer Art Erkrankung. Die »Wucht
    nach innen« läßt notwendig den Alltag und seine roheren, aber auch
    heilsamen Ansprüche zurücktreten. Die Musik, wo sie zum Sternspiel
    und zum Engelsflug wird, nimmt dem mit ihrem Geheimnis
    Begnadeten die andre, die irdische Zuflucht; sie entmannt ihn und
    läßt ihn vergeblich in den Pausen die Hände ausstrecken nach
    Verständnis und warmer Nähe, nach Heimat hier unten und
    fröhlichem Zuspruch.
    Und hier beginnt dem Dichter ein Mißverhältnis fühlbar zu werden,
    das seine folgenden Bücher in heftiger Schwankung durchzieht.
    Derselbe Künstler, dem das Paradies gehört, er ist zugleich
    derjenige, der im irdischen Getriebe als ein Ausgestoßener,
    Zukurzgekommener, als Tor und als Krüppel belächelt wird. Der
    zärtliche Liebhaber der Sterne, er ist hier unten so sehr entrechtet
    und fremd, daß er aus Schwermut gleich Saul die Lanze schwingen,
    daß er aus Leid zum Brandstifter und Zertrümmerer aller
    Geborgenheit werden könnte. »Ich wollte ihn nur reden hören (sagt
    der Musiker in ›Gertrud‹ von einem Freunde), seine Weisheit als
    machtlos erweisen und ihn für sein Glücklichsein und seinen
    optimistischen Glauben strafen.« Der so spricht, ist von
    Trostgründen schwer zu erreichen; das Leben ist ihm vergällt. Denn

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    die Musik – man kann sie sich nicht, ohne zu verbluten, aus dem
    Herzen reißen.
    Denn die Musik: das ist für den Romantiker das Wunder, die
    Heiligkeit, die unberührbare Höhe. Ihr Lichtabgrund erregt einen
    Schauder und einen Schwindel. Sie ist die eigentliche Trug- und
    Illusionskunst, weil man in ihr und durch sie ums Leben betrogen
    wird. Sie ist die unfaßbare Geliebte, die trunken macht und nicht zu
    erlösen vermag; die den letzten Blutstropfen aufsaugt und für die
    Welt nichts übrig läßt. Die Musik: das ist die Kunst selbst und die
    Versenkung des Künstlers; jene gefährliche Selbstversenkung, die
    die Verbindung zur Umwelt abschneidet. Und nicht zuletzt: die
    Musik,
    das
    ist
    der
    feinste,
    flüchtigste
    Ausdruck
    des
    Erinnerungsbildes; um diesem aber zu dienen, läuft man Gefahr, das
    wirkliche, greifbare, tastbare Bild zu verlieren.
    Der Gegenpol zum Musiker ist der Maler, und so ist zu Hesses
    Musikerroman »Gertrud« das Gegenstück der Malerroman
    »Roßhalde«. Da Hesse »Roßhalde« zu schreiben beginnt, hat er die
    Gefährlichkeit der Musik erkannt, und er möchte los von ihr. Die
    Könige unter den Malern, sagt Johannes Veraguth, die sind Brüder
    und Kameraden der Natur. Die Könige unter den Malern, so könnte
    man ergänzen, sie waren nicht nur Innenmenschen; sie waren gleich
    Leonardo und Buonarotti Handwerker, Baumeister, Erfinder von
    Kriegsmaschinen. Zwei Bilder malt Johannes Veraguth. Das kleine,
    das er malt, stellt eine Morgenfrühe am Fluß dar; einen Fischer mit
    seiner Beute. Das große Bild aber zeigt drei Menschen: Vater, Mutter
    und Sohn. Das kleine, das Landschaftsbild, und das große Problem-
    und Charaktermalen, das Menschenbild –: beide Künste sind Hesse
    nicht fremd. Daß er sich aber in »Roßhalde« als Maler vorstellt, das
    ist neu und bedeutsam.
    Es geht in »Roßhalde« um den innigsten, kindlichen Teil seiner
    Seele, um Pierre, und der Maler kämpft einen Verzweiflungskampf
    mit der musikalischen Mutter seines Kindes. Und dieses Kind, Pierre,
    Peter genannt, wie auch Camenzind hieß, dieses Kind stirbt in
    »Roßhalde«. Es stirbt nicht zum wenigsten auch darum, weil der
    Vater als Maler ganz wie ein Musiker in seinem Werke versinkt. Und
    so sieht man, daß es doch nicht an der Art der Kunst, sondern an der

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    Wucht nach innen und am Wesen des Dichters liegt, wenn er, ob als
    Musiker oder als Maler, der Umwelt nicht gewachsen ist.
    Der Maler Veraguth in »Roßhalde« ist so einsam wie der Musiker
    Muoth in

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