Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
Vom Netzwerk:
politische Schule scheint die harmloseren
    Seminaristenjahre von damals mit Pflicht und Gebot der Stunde und
    allen lauten Moralforderungen, die man an einen Musterdichter wie
    an einen Musterschüler stellt, wiederholen zu wollen.
    In der Neuen Zürcher Zeitung läßt Hesse einen Aufsatz erscheinen,
    betitelt »O Freunde, nicht diese Töne!« (im Titel verrät sich der
    Musiker jener Jahre noch). Er beschwört darin, harmlos genug, die
    Künstler und Denker Europas, das bißchen Frieden zu retten, das
    wenigstens in ihrer Region sollte bewahrt werden. Romain Rolland
    nennt den Verfasser in »Au-dessus de la Mélée« von allen deutschen
    Dichtern denjenigen, der »in diesem dämonischen Kriege eine
    wahrhaft goethische Attitüde aufrechterhalten habe«. Die alldeutsche
    Presse aber nimmt jenes Feuilleton zum Anlaß, denselben Dichter,
    dem sie ihre Hochachtung niemals versagt hatte, wie einen Buben
    durch alle Gassen zu jagen. Eines von Hesses damaligen
    Zeitgedichten, Oktober 1914, lautete:

    102
    Sei
    willkommen
    einst,
    Erste
    Friedensnacht,
    Milder Stern, wenn endlich du erscheinst
    Überm Feuerdampf der letzten Schlacht.
    Dir
    entgegen
    blickt
    Jede
    Nacht
    mein
    Traum,
    Ungeduldig
    rege
    Hoffnung
    pflückt
    Ahnend schon die goldne Frucht vom Baum.
    Sei
    willkommen
    einst,
    Wenn
    aus
    Blut
    und
    Not
    Du am Erdenhimmel uns erscheinst,
    Einer andern Zukunft Morgenrot.
    Der so dichtet, verträgt, übersensitiv, keine Reizungen mehr. Es geht
    ihm wie dem kranken Pierre in »Roßhalde«, der abwinkt, wenn man
    Musik machen will; durch dessen Zimmer man auf leisen Füßen
    gehen muß; dessen Fenster man mit dunklen Tüchern verhängt.
    Friede, nur Friede! Aber er ist ein Verräter, ein heimatloser Geselle,
    wenn nicht ein »Gesinnungslump«. Eine gleichgültige kölnische
    Tageszeitung gibt die Parole aus; etliche zwanzig Konzernblätter
    drucken das Entrefilet mit entsprechenden Glossen nach; nur wenige
    Freunde wagen eine schüchterne Verteidigung. Noch 1926, da der
    Dichter eine Einladung erhält, in Stuttgart bei der Jahresfeier des
    Schwäbischen Schillervereins zu lesen, findet eine vaterländische
    Zeitung nicht etwa in Bromberg oder Husum, sondern in Stuttgart
    die Einladung »unbegreiflich«, da es sich doch um einen
    Gesinnungslosen handelt und Schiller doch unser, freilich unser, der
    Dichter der Industrie und des Handels ist.
    Man wird wissen wollen, wie sich denn Hesse nun mit den damaligen,
    durchaus noch nicht republikanischen Institutionen abgefunden
    habe. Das ist rasch erzählt. Er stellte sich, als der Krieg da war, dem
    zuständigen Konsulat zur Verfügung. Da er als Halbschweizer und bei
    seinen mannigfachen Verbindungen zu einflußreichen Familien im
    Lande eine glückliche Akquisition schien, wies man ihn zunächst dem
    Zivildienst bei der Gesandtschaft in Bern zu. Dort fand sich Anfang

    103
    1915 der Zoologe Professor Woltereck ein, der mit Eidechsen und
    Fröschen wenige Zeit vorher noch in Positano eine zoologische
    Versuchsstation unterhalten hatte. Mit Woltereck zusammen, der mit
    Vorschlägen nach Ostermundigen kam, richtete Hesse nun zunächst
    exterritorial eine Abteilung für die Versorgung der deutschen
    Kriegsgefangenen mit entsprechender Literatur ein; eine Gründung,
    die bis zum Kriegsende sich erhielt und zuletzt derart ausgebaut war,
    daß Hunderttausende von in Gefangenschaft geratenen Arbeitern,
    Studenten, Beamten und selbst Gelehrten mit Wissen und
    Unterhaltung hinlänglich versorgt waren.
    Die Initiative und auch der Verkehr mit der Legation lagen bei
    Woltereck; den belletristischen Teil leitete, mit sehr umfangreicher
    Korrespondenz und endlosen Listen, Hesse. Er leitete ebenso den
    »Sonntagsboten für deutsche Kriegsgefangene«, der alle vierzehn
    Tage erschien, und eine eigene »Gefangenenbücherei«, die je und je
    auch kurzweilige Erzählungen aus seiner eigenen Feder zu einem
    schmalen Bändchen vereinigte. Es ist mir bei der Nachfrage nach
    dieser nahezu vier Jahre währenden Tätigkeit gelungen, ein sonst
    kaum auffindbares venezianisches Märchen Hesses, den »Zwerg«, zu
    Gesicht zu bekommen, ein Märchen, das den Vergleich mit einem
    ähnlichen aus Oscar Wildes »Granatapfelhaus« durchaus nicht zu
    scheuen braucht.
    Mit den republikanisch gesinnten Emigranten (Schickele, Foerster,
    Mühlon) pflog Hesse kaum persönlichen Verkehr. Als ich 1917 nach
    Bern kam und Hesses »Traumfolge« in den Weißen Blättern las,
    wußte ich nicht, daß der Dichter in der

Weitere Kostenlose Bücher