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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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sind Züge in ihr von
    Monomanie und Selbstanbetung und Züge des Verfallenden und
    Untergehenden. »Das ist es, heißt es gegen den Schluß der Novelle,
    was einige Freunde an dem Bilde besonders lieben. Sie sagen: es ist
    der Mensch, ecce homo, der müde, gierige, wilde, kindliche und
    raffinierte
    Mensch
    unserer
    späten
    Zeit,
    der
    sterbende,
    sterbenwollende Europamensch: von jeder Sehnsucht verfeinert, von
    jedem Laster krank, vom Wissen um seinen Untergang
    enthusiastisch beseelt, zu jedem Fortschritt bereit, zu jedem
    Rückschritt reif, ganz Glut und auch ganz Müdigkeit, dem Schicksal
    und dem Schmerz ergeben wie der Morphinist dem Gift, vereinsamt,

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    ausgehöhlt, uralt, Faust zugleich und Karamasow, Tier und Weiser,
    ganz entblößt, ganz ohne Ehrgeiz, ganz nackt, voll von Kinderangst
    vor dem Tode und voll von müder Bereitschaft zu sterben.«
    Ich kenne wenig Seiten, selbst bei den Größten, von einer Fülle und
    Dichtigkeit wie jene sechs Seiten aus Hesses »Klingsor«, die das
    Selbstbildnis des sterbenden Romantikers, des Klingsor-Deutschen
    enthalten. Die Sprache dieser Novelle geht, wenn ich so sagen darf,
    weit über des Dichters eigenes Maß hinaus. Es ereignet sich hier der
    seltene Fall, daß der Künstler eine Wesenssphäre ergreift und
    erschöpft, die man vorher nicht als ihm zugehörig vorausgesetzt
    hatte. Das ist nur dem Medium möglich, das auf den eigenen Willen
    verzichtet hat; dessen Organe infolge einer letzten Erschütterung
    zum Werkzeug des Notwendigen und der Symbole selber werden.
    Der spätromantische Zug, der bisher einzig im »Lauscher«
    aufgefallen war, dieser Zug, der auf die dionysischen Studien von
    Basel und Tribschen zurückverweist, gewinnt hier unvermutet die
    Ausdehnung einer Hochflut und zerstört vollends das enge und etwas
    gedrückte Bild, das man bis zum »Demian« von diesem Dichter
    hatte.
    Über den Gegensatz von Musiker und Maler in Hesses Werk sprach
    ich bereits gelegentlich der Romane »Gertrud« und »Roßhalde«.
    Aber dort war das Problem noch kaum bewußt und jedenfalls nicht
    die Hauptsache. Hier nun, im »Klingsor«, stoßen die beiden Welten
    in einer typischen Figur zusammen. Die »Musik des Untergangs«
    vernimmt ein Maler, das heißt nach Hesse ein Künstler, der nicht an
    ein abstraktes Gehör, sondern an Wirklichkeit und Greifbarkeit
    gebunden ist. Das verschärft alle Leiden. Und Klingsor selbst, der
    Zauberkönig, ist nicht ein Musiker mehr, sondern abermals: ein
    Maler, wenn auch als solcher immer noch ein Orgiast. Die Musik soll
    ihn vom Naturalismus der Farbe befreien. Man könnte aber
    umgekehrt auch sagen, daß ihm die Malerei dazu dienen soll, die
    Musik zu fesseln, zu bändigen, zu naturalisieren. Auf die Musik des
    Untergangs folgt im »Klingsor« das Selbstporträt. In diesem
    Selbstporträt ist die untergehende Musik aufgefangen. Das bedeutet
    aber, daß die Leidenschaften sichtbar und überwindungsfähig
    geworden sind. So schrieb van Gogh: »Und im Gemälde möchte ich
    eine Sache sagen tröstlich wie Musik.«

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    An van Gogh muß man bei der Lektüre dieses »Klingsor« heftig
    denken. Zweimal wird er im Buche zwar nicht genannt, aber doch
    gestreift. Arles ist genannt, und auch Gauguin ist genannt. Van Gogh
    aber steht dem Dichter besonders nahe: der artistischen Entwicklung
    nach, die von den reinen, subtilen Farbtönen des Impressionismus
    aus gewaltsam ins eigene Innere vordringt, und auch der Herkunft
    nach: indem beide (Hesse von der Dubois-Seite, der Mutter her)
    Calvinistenblut in den Adern haben. Wie ein Alb lastet auch auf van
    Gogh die Tradition des Genfer Reformators, der nur eine schrecklich
    erhabene Gottheit mit einer absoluten, in ein drohendes Dunkel
    gehüllten Vorherbestimmung des einzelnen kennt. Das Empfinden
    van Goghs, als er zum erstenmal nach Arles kommt, gleicht
    demjenigen Hesses in der ersten Zeit seines Tessiner Aufenthaltes
    auf ein Haar.
    Noch einen dritten könnte man hier nennen: den Dichter Hölderlin
    zur Zeit seines Aufenthaltes in Südfrankreich. Diese Künstler aus
    Pietisten- und Calvinistenblut droht dann ihre lang verdrängte
    Phantastik ausbrechend zu zerreißen. Sie geraten in eine Arbeitswut,
    um die andrängende Fülle zu entgiften. Sie balancieren unvermutet
    auf jener schmalen Grenze zwischen Wahn und Form, von der ein
    Dante geschrieben hat, daß er den Fuß an jene Stelle des Lebens
    gesetzt habe, über welche keiner hinausgehen kann, der die Absicht
    hat,

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