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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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der
    Träume« von 1914 hieß es: »Hast du nie chinesische Erzählungen
    gelesen? Du wirst einmal Freude an diesen Chinesenbüchern haben,
    es stehen gute Sachen drin. Das und der alte Goethe, der ganz alte
    Goethe, ist mir von allen Büchern jetzt das liebste.« Dann tauchten
    die Chinesen in den »Märchen« wieder auf. Geschrieben waren diese
    Märchen teilweise schon 1916, mitten im Krieg. Man suchte darin
    Blumen, sehr viele Blumen, um Gräber, sehr viele Gräber damit zu
    bedecken. Der Dichter Han Fook in diesen »Märchen« war ein
    Chinese. Er bemühte sich, den Vogelflug so in einer Verszeile, in
    einem Liede einzufangen, daß man den Vogel im Liede trefflicher und
    schöner fliegen sähe als in der Luft; daß der Vogel eigentlich sterben
    mußte, nachdem seine Seele erkannt und ins Lied gebannt war. Nun
    sind auch die beiden Dichter Litaipe und Thu Fu in »Klingsors letztem
    Sommer« Chinesen. So schwingt sich eine Zauberbrücke vom
    Klingsor nach rückwärts zu den »Märchen« und von da zum »Haus
    der Träume«.

    142
    Die Chinesen scheinen für Hesse eine besondere Beziehung zum
    Zauber, zum Märchen, zur Poesie zu haben. Und zwar im Sinne des
    Han Fook, der im flüchtigsten, graziösesten Umriß der Sprache das
    ebenso flüchtige Wesen des Lebens auffängt. Die Chinesen sind wohl
    für Hesse die nüchternsten Beobachter, aber auch die geduldigsten;
    und darum gerade sind sie die besten Verfasser von Märchen und
    Zauberbüchern. Darum erschließt sich ihnen das innerste, leiseste,
    duftigste Wesen der Dinge, das nur in einer Skala von Andeutungen
    sich bewegt. So bekommen sie jene Doppelschicht von bunter
    zierlicher Lebensfülle und leisem unterirdischen Gang; von mütterlich
    erzählender Weisheit und plötzlich einfallender Verwandlung. Immer
    aber sind diese Dichter mit den Augen an die Dinge geheftet, die sie
    so lange anschauen und umkreisen, bis deren Lebgeist
    hervorzuwesen und die zufällige Hülle abzustreiten beginnt.
    Im »Klingsor« hat der Dichter sich als Litaipe, als den Dichter der
    berauschtesten Trinklieder eingeführt, zugleich aber auch als Thu Fu,
    als den Frommen, der das Lied der Dauer, das Lied vom quellenden
    Urgrund, das Lied von der Mutter singt:
    Vom Baum des Lebens fällt
    Mir
    Blatt
    um
    Blatt,
    O
    taumelbunte
    Welt,
    Wie
    machst
    du
    satt,
    Wie machst du satt und müd,
    Wie machst du trunken!
    Was
    heut
    noch
    glüht,
    Ist bald versunken.
    Und dann beendet Thu Fu sein Lied:
    Nur die ewige Mutter bleibt,
    Von
    der
    wir
    kamen,
    Ihr spielender Finger schreibt
    In die flüchtige Luft unsere Namen.
    Der Trinker Litaipe aber, der dieses Lied erhält, er antwortet:

    143
    Trunken sitz ich des Nachts im durchwehten Gehölz...
    Vieles tat und erlitt ich, Wandrer auf langem Weg,
    Nun am Abend sitz ich, trinke und warte bang,
    Bis
    die
    blitzende
    Sichel
    Mir das Haupt vom zuckenden Herzen trennt.
    Er trinkt, ganz offenbar. Aber er trinkt aus dem quellenden Urgrund,
    von dem Thu Fu bereits trunken ist, und sein Tod wird ein Ertrinken
    im Schoße der Mutter sein, wie des Beamten Klein Tod ein solches
    Ertrinken war. Beide Dichter sind berauscht, beide vom Leben, vom
    Mutter-Munde und -Grunde. Und doch sind beide von Hesse als
    Beobachter, als Chinesen eingeführt; als stille Leuchten, die den
    Hexenkessel seiner Erzählung bewachen und ihn vielleicht sogar zum
    Überschäumen gebracht haben. Diese beiden Chinesen sind nicht
    Untergangsmenschen. Sie sind Menschen vom Aufgang der Sonne
    her, sind Asiaten. Sie werden Hesse begleiten, über den Rahmen der
    momentanen Erzählung und über das Ende hinaus auf den weiteren
    Weg.
    Schon gegen das Ende des Klingsorbuches zeigte sich eine
    Ernüchterung an. »Klingsor«, so hieß es da, »fühlte gläubig, daß in
    diesem grausamen Kampf um sein Bildnis nicht nur Geschick und
    Rechenschaft eines einzelnen sich vollziehe, sondern Menschliches,
    sondern Allgemeines, Notwendiges. Er fühlte, nun stand er wieder
    vor einer Aufgabe, vor einem Schicksal, und alle vorhergegangene
    Angst und Flucht und Rausch und Taumel war nur Angst und Flucht
    vor dieser seiner Aufgabe gewesen. Nun gab es nicht Angst noch
    Flucht mehr, nur noch Vorwärts, nur noch Hieb und Stich, Sieg und
    Untergang.« Ein französischer Maler besucht ihn, die Wirtin führt ihn
    ins Vorzimmer. »Danke«, sagt Klingsor langsam, »danke, lieber
    Freund. Ich arbeite, ich kann nicht sprechen.«
    Ja, der Dichter Hesse arbeitet. Und Thu Fu, der eine der beiden
    Chinesen aus

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