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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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den romantischen, den
    Lohengrin-Traum, nahezu getötet und erstickt hat. Noch immer trägt

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    Klein, auch im Süden, auch in der neuen Landschaft, die ihn umgibt,
    ein Bändchen Schopenhauer mit sich herum. Es ist sehr
    wahrscheinlich, daß er die »Unzeitgemäßen Betrachtungen« gelesen
    hat, die Nietzsche, da er für Wagner schwärmte, im Norden, in Basel
    schrieb.
    Wie hängen nun so bösartige Traumneigungen mit den höchsten und
    süßesten Aufschwüngen der Kunst und der Menschheit, mit der
    überirdischen Liebe und Gralsverehrung zusammen? Wie ist es
    beispielsweise möglich, daß dasselbe Volk, das einen solchen Wagner
    hervorgebracht hat und seine jenseitigen Stücke abgöttisch verehrt –
    , daß dieses selbe Volk sich berserkerhaft in einen Krieg stürzen und
    alle Romantik, alle Liebe vergessen haben kann? Wie ist es möglich,
    daß der Schwärmer selbst, er, der Beamte Klein, den Musiker und
    auch den Mörder Wagner nebeneinander in sich trägt? Das ist die
    Frage für den Flüchtling, und das ist auch die Frage des Dichters.
    Es ist da eine Widersprüchlichkeit der Instinkte, die unverkennbar
    den Charakter des romantischen Genies und den Charakter des
    Deutschen mit demjenigen des Beamten Klein verbindet. Vielleicht
    hat die mörderische Strenge einer Erziehung wie »Kinderseele« sie
    entrollt, vielleicht hat solche Erziehung, auf eine sehr jenseitige, sehr
    musikalische, sehr lohengrinhafte Uranlage stoßend, jene zwei
    Welten, des Mordes und der transzendenten Liebe, überhaupt erst
    miteinander in Konflikt gebracht und gegenseitig in solcher Schärfe
    ausgebildet. Wie dem auch sei: Mord und Liebe liegen nahe
    verschwistert im Seelengrunde des Beamten Klein; er empfindet eine
    merkwürdige Vertauschbarkeit dieser beiden Instinkte. Er hätte den
    ihm von innen her aufgedrungenen Mord nahezu ausgeführt, und er
    lebt, selbst in der heilenden südlichen Landschaft, die er sich
    verschrieben hat, wie ein Selbstmörder, verbrassend, was er
    entwendet, und sein eigenes Leben vernichtend.
    Und warum rudert er am Ende auf den See hinaus und läßt sich ins
    Wasser fallen? Er hat bei einer kleinen Forschungstour in die
    ländliche Umgebung der blauen tessiner Stadt ein nächtliches
    Abenteuer mit seiner Gastgeberin gehabt. Diese »zweifelhafte und
    anrüchige Geschichte« hat seine ganze gehobene Stimmung vom
    vorigen Tag vernichtet. Noch in der Nacht ist er aus dem kleinen
    Albergo geflüchtet; das Erlebnis aber hat ihm seine heilig-

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    liebenswerte Welt völlig verwirrt. im anschließenden Traum kämpft
    er mit zwei Frauen, von denen er die eine mit dem Dolche
    durchstößt, während die andere ihn, rächend, mit Krallen
    umschlingt.
    Der Beamte Klein trägt offenbar einen Dämon in sich. Dieser Dämon
    heißt bald Präzeptor Wagner, bald Richard Wagner. Es gibt vor ihm
    keine Flucht. Hat Richard Wagner die Oberhand, so genügt ein
    törichtes Liebeserlebnis, den Präzeptor Wagner zu erwecken und die
    verschwiegene Hölle, den tiefen Verbrecherwahn in Bewegung zu
    setzen. Klein aber wird geneigt sein, auf Liebeswerben mit
    Totschlägermanieren zu antworten. Er wird zerstören, was ihn
    berührt, vernichten müssen, was ihm Wollust bringt; weil Liebe und
    Mord, weil der Exzeß der Verehrung unerträglich mit einem Exzeß
    der Vernichtung, der Strafe, der Verteufelung verknüpft ist.
    So geht er in den Tod. Die geheime Feder seines Reagierens aber
    bleibt ihm verborgen. »Ach«, sagt der Dichter, »man wußte so
    wenig, so verzweifelt wenig vom Menschen! Hundert Jahreszahlen
    von lächerlichen Schlachten und Namen von lächerlichen Königen
    hatte man in den Schulen gelernt. Aber vom Menschen wußte man
    nichts! Wenn eine Glocke nicht schellte, wenn ein Ofen rauchte,
    wenn ein Rad in einer Maschine stockte, so wußte man sogleich, wo
    zu suchen sei. Aber das Ding in uns, das allein lebt, das allein fähig
    ist, Lust und Weh zu fühlen, Glück zu begehren, Glück zu erleben –
    das war unbekannt, von dem wußte man nichts, gar nichts, und
    wenn es krank wurde, gab es keine Heilung. War es nicht
    wahnsinnig?«
    »Klein und Wagner« ist noch ganz an die Berner Erlebnisreihe
    gebunden. Der Krieg, die Auflösung der Ehe sind bis in die
    Traumerschütterungen hinein verfolgt und durchlitten. Damit beginnt
    auch das Interesse des Dichters für jene Fragen, die ihn einige Jahre
    später unter dem Sammelwort einer Biologie des Genies
    beschäftigen. Die Natur des Deutschen, die Natur des Romantikers,
    die

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