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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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zeigt,
    wie ein Gewissen entsteht, ein höchst subtiles Gewissen; wie der
    Grund zu einem romantischen Dichter gelegt wird. Die Mittel sind
    grausam –: wie sollten Eltern wissen, daß sie ein Genie in die Welt
    gesetzt haben? Die Methoden der Gewissensbildung sind oft
    entsetzenerregend,
    wenn
    man
    die
    überempfindliche
    Verschwiegenheit, die Leidenskraft des Kindes, wenn man all das in
    einem Durchschnitt zu sehen bekommt. Aber auch die Anlage des
    Kindes, seine früh erwachten Sinne, sein Eindringen ins
    Elterngeheimnis, seine unbegrenzte Neigung: auch dies vermag zu
    schrecken. Noch jüngst ist Marcel Prousts Roman »Der Weg zu
    Swan« bekannt geworden. Dort ist eine ähnliche Kindheit
    beschrieben, ein ähnliches Umkreisen des Mutterbildes. Wie soll der
    Erzieher, wenn solche Neigung ihm nicht verborgen bleibt, wie soll er
    sich dazu verhalten? Es ist schwer zu sagen.
    »Kinderseele« ist keine Kampfschrift gegen schlimme Väter, kein
    pädagogischer Traktat. Die Erzählung hat eher eine biologische, um
    nicht zu sagen eine tragische Bedeutung. Denn was die Kinderseele
    schwer belastet, ein Alp der Bedrohung und Verfolgung, das wird für
    den Dichter zur ängstlichen Subtilität der bedenkenden, wägenden
    Kräfte und wird für ihn zu einem Vorzug, einer Überlegenheit. Dieser
    väterliche Anteil, so wölfisch er sich äußern mag, schärft doch den
    Sinn für das Erleben, befördert ein immer tieferes Wissen um den
    verbotenen Bezirk. Es werden sehr zauberische, unausdenkbar süße,
    unaussprechlich wichtige Geheimnisse sein, die wie in »Kinderseele«
    so rigoros verboten, so unerbittlich mit Schlägen und Ängsten
    bezahlt werden müssen. Kein Totem ist möglich, kein Heiliges, ohne
    das Tabu, das Verbot und die Strafe. Wir leben in Europa ein wenig
    naiv in diesen Dingen. Wir möchten die höchsten Genüsse
    auskosten, ohne dafür zu bezahlen. Wir möchten die schönsten
    Bilderausstellungen genießen, ohne uns vorher auspeitschen zu
    lassen. Der Südseemann würde das nicht verstehen; eine
    unwiderstehliche Instinktneigung läßt er sich gerne das Leben
    kosten.

    133
    »Klein und Wagner«, die zweite Erzählung des Klingsorbandes, führt
    das Thema der ersten, das sie geheimnisvoll erläutert, weiter. Der
    Zauber, den der Knabe in »Kinderseele« seinem Vater zu entwenden
    oder hinter den er doch zu kommen sucht, ist in »Klein und Wagner«
    zum Geldzauber geworden. Der kleine Feigendieb wird zum Dieb und
    Defraudanten Klein, der seine Tausender auf die Spielbank bringt. Er
    wird als Beamter mit gelehrten Neigungen eingeführt. Er ist flüchtig,
    er fühlt sich verfolgt von unerklärlichen Mächten. Er hat Angst vor
    Wahnsinn, Schlaflosigkeit, Polizei und Tod. Er fühlt sich angeklagt
    von seinen Gedanken, von Richtern, von aller Welt. Er hat Sehnsucht
    nach Leid, nach Untergang, und er sinkt schließlich freiwillig ins
    Wasser; in den Schoß der Mutter, wie es mit einer chinesischen
    Formel gegen das Ende zu heißt. Was ist geschehen? Was ist es mit
    diesem Beamten Klein, der in Lugano ankommt wie ein schwerer
    Verbrecher und der doch die luganesische Landschaft zu sehen
    vermag, wie sie noch niemand vorher gesehen hatte, so
    unvergleichlich trunken, so als Erfüllung grüner Jugendsehnsucht
    nach dem Süden; so als phantastisches Kinderspielzeug, so lieb und
    einfach und doch so beschwingt wie das Paradies? Was ist es mit
    ihm?
    Der Beamte Klein hat sein Gewissen mit einem Traumverbrechen
    belastet. Er war im Begriff, einen »vierfachen Mord« an Frau und
    Kindern zu begehen. Er ist dieser seiner Zwangsidee entgangen,
    indem er das greifbare Geld zusammenraffte und auf falschen Paß in
    den Süden reiste. In seinem Traum spielt der Name Wagner eine
    große, und zwar eine doppelte Rolle: Wagner, das ist ein kleiner
    Schullehrer, der einen ähnlichen Mord beging und dessen Tat der
    Beamte Klein damals, ohne an Ähnliches zu denken, zugestimmt hat.
    Wagner ist aber auch Richard Wagner, zu dem er als zwanzigjähriger
    Jüngling eine schwärmerische Neigung hatte. Wagner, das ist auch
    der Komponist, der den Lohengrin geschrieben hat, jenes
    Maskenspiel von einem irrenden Ritter mit geheimnisvollem Ziel,
    dessen Namen man nicht erfragen darf. Der Beamte Klein fühlt sich
    dem einen und dem andern Wagner verwandt. Er selbst wäre an
    einer gealterten Frau, von der er sich heiraten ließ, um ein Haar zum
    Mörder geworden, aus tiefem unbewußten Zwang, weil diese Frau
    seinen hochfliegenden Jünglingstraum,

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