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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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so
    wird ihm gerade dieses Erschöpfen zur Gefahr und wirft ihn in das
    andere Extrem. Aus jedem Tun, das durchrast oder durchlitten wird,
    erwachsen neue Klänge, neue Fragen; erwächst ein ganzer
    Hydrakopf. Der Zauberwald wird immer dichter, die Pfade
    verschlingen sich tiefer. Es ist kaum möglich, diesen Irr- und
    Echogarten zu betreten und mit einer brauchbaren Topographie für
    Nachfolger wieder hervorzukommen. Welch ein neuer Gegensatz:
    Klingsor und Siddhartha! Ist es nicht unter anderem auch der
    Gegensatz zwischen Kundy und Parsifal? Wer wird das Spiel
    gewinnen, wer unterliegen? Vielleicht aber ist es nicht wichtig, den
    Widerstreit auszutragen. Vielleicht ist es wichtiger, den Gegensatz
    selbst zu erfassen und ihn zum Erlöschen, – das eigene Ich, das
    eigene Selbst, das in dieser doppelten Sohnsgestalt hervorgetreten,
    zum Schweigen zu bringen.

    148
    Der »Demian« erfaßte den Muttergrund zuerst. »Klingsor« und
    »Siddhartha« sind die beiden Söhne dieser Mutter. Klingsor steht der
    Mutter, Siddhartha dem Vater näher. Ein Zwiespalt beherrscht das
    Bild des Sohnes, den Hesse in seinen beiden großen Mythenfiguren
    vorstellt. Der qualvolle König der Nacht und ein lächelnder Buddha;
    ein Verdunkelter und ein Erleuchteter. Sind beide nicht immer noch
    Formen der Mythologie und der Tradition, fremde Gestalten? Sind sie
    nicht immer noch Wunschbilder des eigenen Selbst? Sind sie nicht
    Dichtung und darum Lüge? Wie kann man sich selbst anpacken, sich
    selbst auflösen, und damit den Versuch beginnen, sich vom Kreislauf
    der Geburten zu lösen?

    149

Kurgast und Steppenwolf
    Die Arbeit der nächsten Jahre ist ganz der Selbsterfassung
    zugewandt. Die Aufforderung des Verlags an den Dichter, eine
    Auswahl seiner Werke vorzubereiten und sich in einer Vorrede über
    die Gesichtspunkte zu äußern, nach welchen diese Auswahl zustande
    gekommen sei, diese Ende 1920 erfolgte Aufforderung begegnet
    einem innigen Verlangen des Dichters, sein bisheriges Werk zu
    überschauen und die weitverzweigten Zusammenhänge auf eine
    Einheit hin zu ordnen. Hesse hat damals in einem Feuilleton der
    Neuen Zürcher Zeitung über seinen Versuch berichtet. Diese
    »Vorrede eines Dichters zu seinen ausgewählten Werken« hat vor
    allem ein Moralist geschrieben, der streng auf Wahrheit und
    Ausflucht sieht; sodann ein Kunstrichter, der die klassischen Formen
    des Romans und der Novelle zugrunde legt. Von beiden
    Gesichtspunkten aus fand Hesse sein Werk fragmentarisch und
    ungenügend. Das Resultat fiel für den Verlagsplan nicht zustimmend,
    sondern ablehnend aus; die volkstümliche, auf vier bis fünf Bände
    berechnete Auswahl unterblieb.
    Die Anregung des Verlags blieb gleichwohl nicht unfruchtbar. Den
    Verzicht scheinen andere als moralische und ästhetische Bedenken
    bewirkt zu haben. Hesse war offenbar außerstande, aus der
    Verflochtenheit seines Werkes, dessen Betonungen da und dort
    hervorgetreten waren, spezielle Schriften auszuwählen. Es war
    fraglich, ob er überhaupt nach Direktiven hin sichten könne. Er hatte
    ja nicht nach Vorsatz, sondern nach Erlebnissen und nach
    Gelegenheiten gearbeitet. Auch fühlte er wohl, daß wesentliche
    Seiten seiner Natur noch nicht hervorgetreten, daß ein definitiver
    Ausdruck, um den sich alle einzelnen Äußerungen zwanglos
    gruppieren ließen, noch nicht erreicht sei. Gleichwohl hatte es
    vielleicht jenes Anstoßes bedurft, um den Dichter mit sich selbst zu
    konfrontieren; um ihn an die vielen, oft sehr wesentlichen
    Gelegenheitsstücke zu erinnern, die zerstreut publiziert und
    unbeachtet geblieben waren; um ihm sein Werk nach seiner ganzen
    Ausdehnung zu vergegenwärtigen. Die »Ausgewählten Gedichte«
    (1921) sind die erste Frucht dieser Rückschau, und es ist interessant
    zu sehen, wie Hesse an die Selbsterfassung herangeht. Er beginnt
    damit, die Linien zusammenzuziehen und zu vereinfachen.

    150
    Eine zweite Frucht dieser retrospektiven Tätigkeit ist das 1924
    zusammengestellte »Bilderbuch«, das nahezu die Form einer
    Biographie erhalten hat. Es faßt die vielfachen Wander- und
    Reiseerlebnisse des Dichters in einer Art freier, nach inneren
    Gesichtspunkten geordneten Chronologie zusammen, beginnend mit
    dem Bodensee und endigend im Tessin. Das »Bilderbuch« zeigt eine
    vollkommene Einheit der Person von der ersten Gaienhofener Skizze
    bis zur letzten aus dem Tessin. Freilich bezieht sich diese Einheit
    mehr auf den Beobachter, den Darsteller von Landschaft

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