Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Titel: Hermanns Bruder - wer war Albert Göring? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Albert wurde auch Hohensinns Vater mehrmals von der Gestapo verhaftet. Die örtlichen Schnüffler ertrugen es nicht, dass er nach seiner Freilassung aus Dachau wieder zum einflussreichen Geschäftsmann und Regimegegner wurde.
    Einmal, als Hohensinns Vater gerade aus einem Gestapo-Gefängnis in Salzburg entlassen worden war, besuchte Hermann Göring die Familie. Er, der allmächtige Reichsmarschall, wollte von dem einfachen Geschäftsmann wissen, wie es in Dachau aussah. Vertrauensvoll erzählte Hohensinns Vater ihm, was er dort erlebt hatte. »Göring war doch tatsächlich schockiert!«, erinnert sich Hohensinn. »Es war nun mal nicht sein Gebiet. Man muss ja bedenken, dass diese Leute, Göring und andere, vollauf mit dem Krieg beschäftigt waren. Sie hatten andere Sorgen: die Front. Und danngab es die Kriminellen, die für solche Angelegenheiten verantwortlich waren, Himmler und so. Die Lagerkommandanten, das waren die größten Verbrecher.« So weit Hohensinns Worte.
     
    Im Auto, auf dem Weg nach Freiburg, gehen mir immer noch Hohensinns letzte Worte im Kopf herum. Hermann Göring, der selbst das Konzept des Konzentrationslagers nach Deutschland gebracht hat, soll schockiert darüber gewesen sein, was in Dachau geschah?
    Die ersten deutschen Konzentrationslager etablierte Hermann Göring 1933 als Leiter der preußischen Polizei und der neugegründeten Gestapo. Er schuf damit Platz für die Tausenden politischen Gegner, die nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 inhaftiert wurden – man hatte die Schuld den Kommunisten zugeschoben, den stärksten Konkurrenten der Nationalsozialisten. Von da an entwickelten sich die Lager zu einem entscheidenden, brutalen Machtinstrument zur Eliminierung von Dissidenten – und von allen, die nicht in die Doktrin des Regimes passten. Hermann, der Experte für die Burenkriege, schaute sich das Konzept von einer britischen Institution ab, die Leo Kitchener während des zweiten Burenkriegs geschaffen hatte.
    Ich frage mich, was an Hohensinns Geschichte dran sein könnte, so unwahrscheinlich sie auch schien. Hermann Göring hatte tatsächlich ausgesprochen viel zu tun: Er war Reichsmarschall, Reichstagspräsident, Oberkommandierender der Luftwaffe, Beauftragter für den Vierjahresplan, Geschäftsführer der Reichswerke Hermann Göring AG und, nicht zuletzt, Reichsforstmeister und Reichsjägermeister. Die Leitung der Gestapo, und damit auch die Aufsicht über die Konzentrationslager, hatte er 1934 an Heinrich Himmler abgegeben.
    Dazu kommt, dass das nationalsozialistische Regime von Geheimhaltung und parteiinternen Konflikten geprägt undvon paranoiden Herrschern bevölkert war, die ihren Einflussbereich vehement gegen jegliche Einmischung verteidigten. Himmler und Göring waren in einen permanenten, gnadenlosen Machtkampf verwickelt. Sie tauschten nie mehr als die nötigen Höflichkeitsfloskeln aus; alles andere hätte der jeweilige Gegner als Munition nutzen können. Daher wird Himmler Göring kaum mit Informationen zu seiner SS versorgt haben, ebenso wie Hermann ihm keine Details zum neuesten Stand der Luftwaffe oder der Wirtschaft anvertraute.
    Dennoch ist es höchst unwahrscheinlich, dass der einflussreiche, taktisch versierte Hermann seine Informationen nicht aus anderen Quellen bezog. Da ihm mit dem Forschungsamt eine eigene Abhörstation zur Verfügung stand, wird er über Himmlers Aktivitäten auf dem Laufenden gewesen sein. Sein eigener Bruder, Albert, sprach ihn ebenfalls mehrfach auf die Konzentrationslager an. Und Albert wiederum brauchte weder offizielle Quellen noch Abhöranlagen, um zu begreifen, was vor sich ging.
     
    1923 war für die Familie Göring ein bedeutendes Jahr: Sie hatte innerhalb von zwölf Monaten zwei Hochzeiten, eine Abschlussfeier, ein Begräbnis, eine Scheidung, einen missglückten Staatsstreich und eine Flucht ins Exil zu verzeichnen. Die erste Heirat fand am 3. Februar zwischen Hermann und seiner schwedischen Geliebten Carin Freifrau von Kantzow statt.
    Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war von großen politischen und sozialen Unruhen geprägt. Die Straßen waren voll von frustrierten ehemaligen Kriegshelden wie Hermann Göring. In diesem Klima allgemeinen Aufruhrs wurde selbst er, der Krieger, der bisher für die Winkelzüge der Politik nichts als Verachtung übriggehabt hatte, zum politischen Menschen. Er schloss sich in Berlin den Freikorps an, paramilitärischen Einheiten, die sich nachKriegsende formiert hatten, und begann seine

Weitere Kostenlose Bücher