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Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Titel: Hermanns Bruder - wer war Albert Göring? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Offensive entscheiden.
    Dementsprechend bildete die Kommunikations-Infrastruktur eins der bevorzugten Ziele feindlicher Angriffe. Zu Alberts Aufgaben gehörten sowohl vorbeugende Maßnahmen, wie das Eingraben der Kabel in zwei Metern Tiefe, als auch – wenn alles Vorbeugen nicht geholfen hatte – Reparaturen. Oft bedeutete das, mitten im Artilleriefeuer nach Kabelbrüchen zu suchen und diese selbst unter Scharfschützenbeschuss eiligst zu reparieren. Diese Einsätze waren so gefährlich, dass Albert einen Großteil der Kriegsjahre in Lazaretten verbrachte.
    Seine erste Kriegsverletzung erlitt der Pionier Albert Göring in der Ersten Flandernschlacht bei Ypern und wurde am 14. November 1914 in ein Militärkrankenhaus in Dortmund geschickt. Zwei Wochen später wurde er nach Hause überwiesen – nämlich in die inzwischen ebenfalls zum Krankenhausumfunktionierte Burg Veldenstein. Nachdem er sich in dieser luxuriösen Umgebung hinreichend erholt hatte, ging es wieder zurück an die Westfront, vermutlich in die Region Flandern, irgendwo entlang der Siegfriedstellung. Dort verbrachte Albert die nächsten Monate in Schützengräben, zwischen Ratten und Läusen, die das Schützengrabenfieber übertrugen, einen beißend kalten Winter und ein schlammiges Frühjahr hindurch, immer in Reichweite des drohenden Todes, dem er gegen Ende des Krieges nur knapp entging. Während Ludendorffs verzweifelter Frühjahrsoffensive 1918 verwundete ihn ein Bauchschuss schwer.
    Albert, inzwischen Leutnant und Leiter der Bayerischen Divisions-Funker-Abteilung 103, wurde wieder den chaotischen Zuständen der Feldlazaretts überantwortet. Ab dem 27. Juli verbrachte er einige Zeit in einem Krankenhaus in Montigny-en-Ostrevent in der französischen Region Nord-Pas-de-Calais und wurde dann nach Péruwelz im belgischen Hennegau verlegt. Kurz vor der Kapitulation humpelte er mit seiner notdürftig versorgten Bauchwunde, die Entlassungspapiere in der Hand, in seine Heimatstadt München zurück. 38
    Für uns heute scheint der Erste Weltkrieg so lange her und so unsagbar brutal, dass wir uns die Qualen und Tragödien, die Albert und seine Zeitgenossen erdulden mussten, kaum noch vorstellen können. In meiner Familie gab es als einzige Annäherung die Geschichten meines Urgroßvaters und -onkels, die auf den Stränden Gallipolis oder in Frankreichs Sumpfland ihr Blut für Nation und Reich vergossen. Besonders die Geschichte meines Urgroßonkels Les und sein Porträt haben mir die ferne Geschichte nahegebracht. Dieses Bild steht bis heute im Wohnzimmer meiner Eltern. Es zeigt einen jungenhaften Mann von zwanzig Jahren, der stolz seine neue Uniform präsentiert und erwartungsvoll seinem »Abenteuer« in Somme entgegensieht. Das Porträt stand schon während des Krieges im Haus meiner Familie,während Les auf das Zeichen zum Angriff wartete, während er stürmte, unter Beschuss geriet und von Schrapnellfeuer getroffen zu Boden ging, während er auf ein Schiff nach England verfrachtet und dem sicheren Tod durch seine Bauchwunde überlassen wurde, dem er dann doch wie durch ein Wunder entging. Und das Porträt blieb jahrzehntelang an seinem Platz, bis Les mit achtzig Jahren die Erinnerung nicht mehr ertrug. Noch in derselben Nacht, in der er sein Foto von der Wand nahm, starb er friedlich im Schlaf.
    Alberts Kriegsverletzung scheint auf seine Familie nicht so viel Eindruck gemacht zu haben wie Hermanns Heldentaten, doch es war eine Wunde, die unzählige Soldaten aller Kriegsparteien ebenfalls spürten, die durch dieselbe Hölle gegangen waren wie er. Sie konnten verstehen, was es für Albert bedeutete, diesen mörderischen Krieg zu überstehen, der zwei Millionen Menschen das Leben kostete. Wie mein Urgroßonkel Les sollte auch Albert den Schmerz dieses Krieges bis zu seinem Tod nicht vergessen.
     
    Der Krieg riss nicht nur körperlich schreckliche Wunden, ob bei Soldaten oder in der Zivilbevölkerung. Er lastete auch schwer auf den Herzen und Seelen der Beteiligten, besonders bei den besiegten Völkern. Als am 28. Juni 1919 jener berüchtigte Friedensschluss unterschrieben wurde, fiel Hermann, der geborene Krieger, Monarchist und Patriot, buchstäblich aus allen Wolken, als sei der Versailler Vertrag eine letzte Salve aus der Flak. Sein Stolz zerschellte in tausend Stücke. Er machte die ganz neue Erfahrung, auf der Seite der Verlierer zu stehen. Sein geliebter Kaiser wurde von zänkischen Demokraten und Industriellen abgelöst. Hermann war kein Held mehr,

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