Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
die irgendwas herstellen, wesentlich größer sind als das, was sie herstellen, und auch wesentlich komplexer. Um blöde kleine Plastikhütchen herzustellen, braucht man eine Maschine, die so groß ist wie ein Bus, und um einen Bus herzustellen, braucht man eine Fabrikanlage, die so groß ist wie ein Stadtteil. Und soweiter. Es gibt keine Maschine, die imstande wäre, eine Kopie ihrer selbst herzustellen.«
»Mit einer Ausnahme«, sagte Charlotte. Das musste sie jetzt noch bringen. Der Gedanke war ihr gestern Abend vor dem Einschlafen gekommen.
Hiroshi sah sie angemessen verblüfft an. »Nämlich?«
»Frauen«, erklärte sie. »Frauen können Kopien ihrer selbst herstellen. Mit ein bisschen Software von einem Mann, aber es gibt weibliche Lebewesen, die brauchen nicht mal das.«
Er lachte, spürbar erleichtert, dass ihm doch nichts entgangen war. »Ja, okay. Aber das sind Lebewesen. Das ist was grundsätzlich anderes. Das neue Lebewesen, das dabei produziert wird, ist anfangs wesentlich kleiner; der Trick ist, dass es danach noch aus eigener Kraft wächst. Das ist für ein Lebewesen okay, aber probier das mal mit einem Tisch oder einem DVD-Player.«
»Wenn du mit diesem Beispiel gekommen wärst, dann hättest du auch was von mir zu hören gekriegt. Frauen mit Maschinen zu vergleichen – hah!«
Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich, auf diese Idee bin ich nie gekommen. In all den Jahren nicht! Wahrscheinlich, weil ich gerade nicht will, dass Lebewesen die Arbeiten übernehmen. Das Modell haben wir ja schon – mit den bekannten Nebenwirkungen.«
Charlotte leerte ihren Kaffee vollends. »Okay. Dann bist du dran. Modell Hiroshi.«
Er lehnte sich zurück, faltete die Hände vor der Brust. »Ich bin von hinten her an die Sache herangegangen. Was kann man einfach herstellen, und was für Geräte lassen sich daraus konstruieren? Das war die Anfangsfrage. So herum betrachtet ist das eher ein geometrisches Problem. Was ist die einfachste Form einer Maschine? Was sind die Mindestbedingungen? Über solchen Fragen habe ich in meiner Jugend jahrelang gebrütet –«
»In deiner Jugend schon?«
»Dass das mit den Robotern, die Roboter bauen sollen, nicht so einfach wird, ist mir relativ früh klar geworden.«
»Hätte ich mir ja denken können.«
Er ging nicht darauf ein, schien in Erinnerungen zu versinken. »Es ist echt praktisch, ein Kind zu sein und noch wenig über die sogenannte Realität zu wissen. Da kann man in seiner Vorstellung manchmal Wege einschlagen, die man sich als Erwachsener verbieten würde, weil man sich sagt, ach, das funktioniert sowieso nicht, das weiß ich. So bleibt der Erwachsene auf den ausgetretenen Pfaden, während das Kind unbekümmert querfeldein denkt. Ich habe mir damals gesagt: Okay, ein Roboter kann keinen ganzen Roboter bauen – aber vielleicht kann er ja einen Arm bauen. Und wenn er keinen Arm bauen kann, dann wenigstens einen Finger. Dann könnte ein anderer Roboter einen Fuß bauen und so weiter, und irgendwann hätte man genügend Finger, Arme, Füße, Köpfe et cetera beisammen, um daraus am Ende doch ganze Roboter zusammensetzen zu können.« Er entfaltete seine Hände zu einer fächerartigen Geste, verschränkte sie gleich darauf wieder. »So geht es natürlich auch nicht, aber die Grundidee war fruchtbar: Nicht einen Roboter zu bauen, sondern einen Verbund aus verschiedenen, möglichst einfachen Funktionselementen, die jeweils eine Arbeitseinheit ausführen und die auf eine Weise zusammenarbeiten können, die es, je nachdem, wie sie sich anordnen und wie sie zusammenspielen, ermöglicht, weitere solcher Funktionselemente herzustellen. Ich nenne das einen Komplex.«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Darunter kann ich mir gerade überhaupt nichts vorstellen. Tut mir leid.«
Er sah sie an, überlegte. »Okay. Stell dir vor, du hast eine ganz einfache Maschine, die nur aus, sagen wir, sechsundzwanzig Teilen besteht. Sie selber kann aber nur eines dieser Teile selber herstellen. Dafür gibt es fünfundzwanzig andere Maschinen, die jeweils eins der anderen Teile herstellen. Dann hättest du am Schluss alle Teile für eine weitere Maschine, nicht wahr?«
»Ja.« Charlotte ließ sich das durch den Kopf gehen. »Aber die anderen Maschinen – was, wenn die ihrerseits aus anderen Teilen bestehen?«
»Dann brauchst du ein paar Maschinen mehr.«
»Die wiederum aus anderen Teilen bestehen. Das ist doch uferlos.«
Hiroshi hob die Augenbrauen. »Darum sagte ich ja, es ist eher ein
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