Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
geometrisches Problem. Man muss die Teile so konstruieren, dass sie möglichst vielseitig verwendbar sind.«
»Und das hast du gemacht.«
»Ich hatte eine ereignisarme Kindheit und nicht viel anderes zu tun.«
Charlotte überlegte. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine Maschine aus sechsundzwanzig Teilen aussieht, die eines ihrer eigenen Teile produzieren kann.«
»Das ist auch nur ein Beispiel. In der Realität ist es – wieder mal – einen Dreh komplizierter. Du musst solche Teile ja aus irgendwas herstellen. Rohmaterial also, das du gewinnen musst. Du musst verformen, drehen, bohren und so weiter. Was ich also eigentlich getan habe, war, industrielle Fertigungsprozesse in ihre elementaren Schritte zu zerlegen, in ihre gewissermaßen atomaren Abläufe. Auf dieser Basis habe ich dann möglichst einfache Maschinen für jeweils eine oder allenfalls zwei verwandte Funktionen entwickelt.«
»Was für Funktionen muss ich mir da vorstellen?«
Er zählte sie an den Fingern ab. »Funktionen wie zerlegen, abtrennen, verbinden, erhitzen, abkühlen, festhalten, schneiden, drehen, bohren, pressen …«
Charlotte winkte ab. »Okay, okay. Verstehe.«
»Es sind nicht alle Funktionen gleichrangig. Es gibt Funktionen, die mit der Umwelt interagieren müssen. Einen Rohstoff zu identifizieren ist so eine Funktion. Das macht ein Element, das ich Prospektor nenne. Abgebaut wird der Rohstoff aber von einem anderen Element, dem Miner . Zur weiteren Verarbeitung wird er transportiert von einem Transporter . Und so weiter. Darüber hinaus gibt es zwei Funktionen von zentraler Bedeutung: erstens die Gewinnung von Energie und deren Verteilung. Das ist die elementarste Funktion überhaupt; ohne Energie passiertbekanntlich gar nichts. Und zweitens die Steuerung. Die Zusammenarbeit der einzelnen Elemente muss gesteuert werden. Wenn ein Element an den falschen Platz gerät, oder wenn eines zum falschen Zeitpunkt arbeitet, kommt nur Unsinn heraus.«
Charlotte versuchte, sich das vorzustellen. Dass sie dabei auf ihre Kaffeetasse hinabsah, veranlasste Hiroshi zu fragen, ob sie noch einen Kaffee wolle.
»Nein. Danke. Ich …« Sie versuchte zu fassen, was ihr an Bildern und Vorstellungen durch den Kopf gegangen war. »Du hast also gewissermaßen eine Herde kleiner Roboter gebaut, die sich alle voneinander unterscheiden, die aber imstande sind, weitere solcher kleinen Roboter herzustellen, indem sie zusammenarbeiten. Und sie stellen einen nach dem anderen her, nicht alle auf einmal. Hab ich das richtig verstanden?«
»Genau!« Er schien begeistert. »Das hast du großartig ausgedrückt. Ja, genau so ist es. Eine Herde von Robotern, die zentral gesteuert werden. Und sie vervielfältigen sich, indem sie in Zusammenarbeit ein Teil nach dem anderen herstellen, so lange, bis eine zweite Herde entstanden ist. Das ist die Grundidee.«
Charlotte griff nach der Tasse und hob sie hoch. »Aber wie würde es so eine Roboterherde anstellen, mir eine frische Tasse Kaffee zu machen?« Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Hatte sie ihn damit argumentativ in die Ecke gedrängt? Es sah nicht so aus. Hiroshis Augen leuchteten auf. »Hervorragende Frage!« Er strahlte regelrecht. »Es stimmt, im Moment könnten sie das nicht. Das hat mit dem Produktionsprozess des Kaffees zu tun – man muss dazu Pflanzen anbauen, pflegen, gießen, abernten und so weiter, anschließend muss die Ernte verarbeitet werden, irgendwann sind wir bei gerösteten Kaffeebohnen, die es zu mahlen und aufzubrühen gilt. Das ist noch Zukunftsmusik, da müssten erst wesentlich mehr solcher Komplexe – oder Herden, wie du sie genannt hast – existieren, sodass sich etliche davon nur dem Kaffee widmen können. Ein Komplexwäre jeweils eine Einheit, die mit anderen Komplexen auf einer höheren Ebene zusammenarbeitet – ein Kaffeekomplex in diesem Fall, eine Herde von Herden, die sich ausschließlich der Produktion von Kaffee widmen. Da sind später beliebig viele solcher Ebenen vorstellbar – Herden von Herden, Herden von Herden von Herden und so weiter. Je höher die Ebene, umso weniger wären diese Komplexe zentral gesteuert, vielmehr würden sie zunehmend in der Art von Schwärmen zusammenarbeiten. Unser Gehirn macht das so ähnlich.«
»Es müsste einen Schiffskomplex geben, der den Kaffee transportiert, oder?«
»Nicht zwangsläufig. Die Komplexe können völlig anders arbeiten als Menschen. Es wäre ohne Weiteres vorstellbar, dass eine entsprechende
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