Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
warst, hast du das Nachsehen, Hiroshi. Dann wirst du das Recht, deine eigene Erfindung benutzen zu dürfen, kaufen müssen!«
Hiroshi lehnte sich zurück, setzte wieder dieses Gesicht auf, das Rasmussen bei sich »das japanische« nannte. »Die sind nicht dabei, dasselbe zu erfinden wie ich«, erklärte er. »Die sind nicht mal in der Nähe. Ich geb zu, ich weiß nicht, was sich auf den Patentämtern abspielt, aber was an Theorien und Projekten verfolgt wird, da bin ich, glaube ich, auf dem Laufenden. Und da sehe ich niemanden, der sich geistig von der Metapher des Lebewesens gelöst hätte. Alle bauen sie an ungeheuer komplizierten Nanomaschinen, die versuchen, wie Lebewesen zu funktionieren. Und wundern sich, dass es nicht klappt. Oder sie benutzen gleich genmanipulierte Bakterien, was bedeutet, dass sie nie wesentlich über Kohlenstoffverbindungen und Proteinstrukturen hinauskommen werden.«
»Unterschätz diese Leute nicht. Mag sein, dass es so ist, wie du sagst – aber das heißt nicht, dass nicht jemand auf dieselbe Idee kommen kann wie du. Im Gegenteil, das kann praktisch jeden Tag passieren. Jeden Tag kann einem dieser Forscher einfallen, es statt mit einem sich selbst replizierenden Mechanismus mit einem sich selbst replizierenden Komplex zu versuchen.«
»Na und? Was nützt ihm diese Idee? Er wird am selben Hindernis hängen bleiben wie ich.«
Rasmussen seufzte. Hiroshi wollte nicht begreifen, oder? »Das ist doch egal. Er wird diese Idee zum Patent anmelden, und damit gehört sie ihm, wenn jemals doch was draus werden sollte. Außerdem ist sie dadurch veröffentlicht und in der Diskussion. Alle klugen Köpfe des Fachgebiets werden sich darauf stürzen – Leute wie Binnig, Drexler, Merkle; Leute, die die Nanotechnologie erfunden haben! Und ohne dir nahetreten zu wollen: Wenn sich viele kluge Köpfe intensiv austauschen, kann es sehr wohl sein, dass jemand dein Problem mit diesen Atomwinkeln löst.« Er faltete die Hände. »Kannst du alles zu deinen Gunsten wenden, indem du patentierst, was du hast.«
»Du verstehst nicht«, sagte Hiroshi. »Patente interessieren mich nicht. Nicht dafür.« Er beugte sich vor und legte seine Hand an den Bildschirm. »Wenn das hier funktioniert, Jens,dann erschaffe ich eine völlig neue Welt. Eine, in der Patente keine Rolle mehr spielen. Und wenn es nicht funktioniert, wenn ich es nicht schaffe … dann brauche ich auch keine Patente!«
Charlotte saß in der Küche und lauschte der Auseinandersetzung zwischen Brenda und ihrem Sohn nur mit halbem Ohr.
»Erst die Hausaufgaben«, sagte Brenda, was sie bestimmt schon tausendmal gesagt hatte, seit Jason in der Schule war. »Das ist die Regel. Das weißt du genau.«
»Aber ich bin doch mit George verabredet!«, quengelte Jason.
»Schön. Dann würd ich mich an deiner Stelle beeilen mit den Hausaufgaben.«
»Die kann ich doch ausnahmsweise mal heut Abend machen. Bitte, Mama! Es ist auch gar nicht viel!«
Die ewigen Kämpfe wegen der Schule! Manchmal waren sie Charlotte auf die Nerven gegangen. Und jetzt war sie sich sicher, dass sie sie vermissen würde.
»Ausnahmen gibt es nicht«, beharrte Brenda. »Nicht, solange deine Noten so sind, wie sie sind. Das haben wir ausgemacht, erinnerst du dich?«
»Aber George kommt doch gleich!«
»Kein Problem. Er kriegt ein Stück Kuchen und darf es sich vor dem Fernseher gemütlich machen.«
»Oh, Mann …! « Kapitulation. Wütende Schritte die Treppe hoch.
Brenda kam zurück, die Augen verdrehend. »Ich bin mal gespannt, wie das im nächsten Schuljahr wird«, meinte sie, schnappte sich ihre Kaffeetasse vom Bord und setzte sich Charlotte gegenüber. »Wenn er seine Hausaufgaben auf Spanisch machen muss! Da wird ihm das hier wie das verlorene Paradies vorkommen.«
Mit jähem Schrecken begriff Charlotte, dass der Umzug schon vorbei sein würde, wenn sie von der Expedition zurückkehrte. Dass sie heute das letzte Mal in dieser Küche saß, das letzte Mal in diesem Haus zu Gast war, in diesem liebevoll eingerichteten,freundlichen Haus, das ihr immer wie ein sicherer Hafen in ihrem Leben erschienen war, etwas, das Bestand hatte und immer Bestand haben würde. Ihr kamen fast die Tränen.
»Habt ihr euch das wirklich gut überlegt?«, fragte sie noch einmal. »Buenos Aires! Ihr werdet euch nicht leichttun. Und Jason! Er hat sich doch gerade erst einigermaßen an die Schule gewöhnt …«
»Ich sag mir einfach, wir sind noch zu jung, um uns einen Altersruhesitz einzurichten«,
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