Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Ding sind Roboter?«
»Das sind Roboter, was du da siehst.«
»Das sind Moleküle. Hast du gerade selber gesagt.«
Er zog ihr einen der Stühle heran. »Setz dich erst mal. Das wird ein bisschen dauern.«
Sie setzte sich gehorsam, verschränkte die Arme, sah immer wieder zwischen ihm und den Bildschirmen hin und her.
Er ließ sich ihr gegenüber nieder. Er war sich nicht sicher, ob er das alles auf eine Weise würde erklären können, die außer ihm jemand verstand. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn Charlotte wirklich besuchen würde, und dass sie nun tatsächlich hier war, so schön wie eh und je, wenn nicht noch schöner geworden, irritierte ihn mindestens genauso sehr, wie es ihn mit Freude erfüllte. Sehr kompliziert das alles.
»Das Problem bei den Robotern auf Paliuk damals«, begann er, »war mangelnde Genauigkeit in der Replikation. Die Elementeder ersten Generation waren Ebenbilder der originalen Elemente, aber eben nur zu soundso viel Prozent. Sie waren ein kleines bisschen ungenau. Das hatte zur Folge, dass die Elemente der zweiten Generation noch ungenauer wurden, und diese Fehler haben sich mit der Zeit aufsummiert. Es war unvermeidlich, dass irgendwann ein Element entstanden ist, das in einem wichtigen Moment nicht zu einem anderen passte, dessen Greifnuten zu eng oder zu weit waren, das zupackte und danebengriff, das irgendetwas falsch einsetzte – was auch immer, das jedenfalls so ungenau war, dass das Zusammenspiel innerhalb des Komplexes nicht mehr funktionierte.«
Charlotte nickte. »Ich erinnere mich. Das hat man auf den Videoaufnahmen damals gesehen.«
»Genau.« Richtig, da war sie noch dabei gewesen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. »Ursache dafür war der Herstellungsprozess. Du hast ja mitbekommen, wie die Elemente gearbeitet haben. Sie haben zum Beispiel Gussformen hergestellt, Bauteile gegossen und sie nachbearbeitet, wie man es bei Gussteilen machen muss. Aber die Genauigkeit, mit der sie das tun konnten, war begrenzt. Technisch begrenzt. Wenn ich es hätte präziser haben wollen, hätte ich die Elemente größer und komplizierter konstruieren müssen. Das wiederum hätte bedeutet, dass für eine Replikation mehr Teile herzustellen gewesen wären, mit höherer Genauigkeit, was wiederum konstruktiv komplizierter geworden wäre … na ja, und so weiter. Es lief auf ein Wettrennen hinaus, auf eine geometrische Reihe, die ins Unendliche gegangen wäre.«
Charlotte wirkte skeptisch. Vielleicht bedauerte sie inzwischen, dass sie gekommen war. »Das klingt, als ob es grundsätzlich nicht ginge.«
»Ja, das habe ich eine Weile auch befürchtet. Aber dann ist mir ein anderer Weg eingefallen. Einer, der solche Ungenauigkeiten nicht nur von vornherein vermeidet, sondern darüber hinaus auch noch ganz andere Möglichkeiten eröffnet.«
»Nämlich?«
»Neue Elemente nicht Teil für Teil herzustellen, sondern Atom für Atom.«
Ihre Augen wurden groß. »Nanotechnologie.«
»Ja, das ist der populäre Begriff dafür. Wobei das ein weites Feld unterschiedlichster Technologien und Ansätze ist, die hauptsächlich gemeinsam haben, dass sie sich eben im Nanometer-Bereich abspielen, wo andere Gesetzmäßigkeiten gelten als die, die wir aus dem Alltag gewohnt sind.«
Charlotte furchte die Stirn. Dahinter arbeitete es, das war unverkennbar. Offensichtlich konnte sie etwas mit dem Begriff anfangen – nun, kein Wunder, wer nicht? Nanotechnologie war der große Hype der letzten Jahre gewesen. Er selber hatte auch gut an diesem Trend verdient, mit ein paar Erfindungen, die nebenbei abgefallen waren. Kaum ein Autohersteller, der heute keine Nano-Lacke anbot, die angeblich nicht mehr zerkratzten und immer sauber blieben und Waschanlagen überflüssig machten. Eine Zeit lang waren Toiletten mit Nanobeschichtung der Renner gewesen, von denen es geheißen hatte, man müsse sie nie putzen, weil an ihrer nanotechnisch behandelten Innenseite schlicht nichts haften blieb, weder Schmutz noch Bakterien. Leider hatte sich bewahrheitet, was Hiroshi nach einer Analyse dieser Beschichtung gleich geahnt hatte, nämlich dass sie mit der Zeit unweigerlich kaputtging – aufgrund ganz normaler Umwelteinflüsse, Reaktionen der Moleküle mit Sauerstoff oder durch einfallendes ultraviolettes Licht –, und dass dann Schmutz darauf umso fester haftete, tatsächlich kaum mehr abzukriegen war. Seit das publik geworden war, waren Toiletten mit Nanobeschichtung keine Renner mehr.
»Ist das nicht ein bisschen mit Kanonen
Weitere Kostenlose Bücher