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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Hälfte aller Atome radikal austauschen oder an ganz andere Positionen stellen? Die oberste Ebene schließlich bildet ein Steuerprogramm, das bewertet, wozu das entstandene Molekül taugt. Ob es sich als Bauteil eignet. Es meldet an die Schichten darunter, ob sich etwas verbessert hat – dann wird auf dieser Basis weitergemacht – oder ob sich etwas verschlechtert hat – dann kehrt man zur vorigen Version zurück. Und so immer weiter. Eine Art synthetische Evolution.« Er ließ die Hände sinken. »Wobei das Grundprinzip noch dasselbe ist wie auf Paliuk. Ich baue im Grunde dieselben Maschinen nach, die ich damals hatte: Positionselemente, Transporter, Prospektoren, Cutter und so weiter. Nur Millionen Mal kleiner.«
    »Aber du weißt noch nicht, wie genau du sie bauen musst.«
    »Doch«, bekannte Hiroshi. Sie näherten sich dem Kern des Problems. »Weiß ich.«
    »Und warum tust du’s dann nicht?«
    »Weil ich eine erste Maschine dieser Art bräuchte, um weitere zu bauen.«
    Sie machte große Augen, lachte dann hell auf. »So ein Mist!«
    Hiroshi drehte sich auf seinem Sessel herum, griff nach der Tastatur des Computers, an dem er hauptsächlich arbeitete und von dem aus er die übrigen Maschinen mit Software fütterte. »Pass auf, ich erklär’s dir. Wir haben auf der Ebene der direkten Manipulation von Atomen – man nennt das übrigens Nanoassemblierung – mit drei Hauptproblemen zu kämpfen. Das erste hast du erkannt: das Problem der Anzahl. Es nützt wenig, wenn man Atome nur einzeln bewegen kann. Das kann man schon lange, mit dem Rastertunnelmikroskop oder einem AFM. Aber um irgendwas zu bauen, das man wenigstens sehen kann, muss man Trillionen von Atomen bewegen, und da ist es entscheidend, ob man zehn oder tausend oder eine Milliarde auf einmal in Position bringen kann, weil es je nachdem eine Sekunde, ein Jahr oder hunderttausend Jahre dauern kann, bis das Ding fertig ist.«
    »Die Couch, zum Beispiel«, meinte Charlotte spöttisch.
    »Zum Beispiel.«
    »Und die anderen beiden Probleme?«
    »Die beiden anderen Probleme«, erklärte Hiroshi, »nennt man das ›Problem der dicken Finger‹ und das ›Problem der klebrigen Finger‹.«
    »Lustige Namen erfindet ihr auf jeden Fall«, meinte Charlotte, offenbar entschlossen, die Trauben restlos zu vertilgen. »Wenn schon sonst nichts dabei herauskommt.«
    »›Dicke Finger‹ heißt Folgendes: Man muss ein Atom ja irgendwie in die angestrebte Position bringen. Dazu braucht man eine Art Greifarm, der natürlich seinerseits auch aus Atomen besteht. Dann muss man ein zweites Atom danebenstellen, damit die beiden sich verbinden können. Also ist noch ein Greifarm nötig –«
    »Und irgendwann kommen sich die Greifarme ins Gehege«, erkannte Charlotte.
    »Genau. Selbst wenn man das durch geschickte Konstruktion vermeiden kann – was man kann , wie ich herausgefundenhabe –, ist immer noch die Frage, wieso das Atom, das man da durch die Gegend kutschiert, die Spitze des Greifarms eigentlich wieder loslassen soll. Man hält es ja mit Bindungskräften fest, und davon gibt es einen ganzen Strauß, die jeweils im Spiel sein können – kovalente Bindung, ionische Bindung, metallische Bindung, Van-der-Waals-Kräfte, Dipol-Wechselwirkung, Wasserstoffbrückenbildung und so weiter. Es genügt also nicht, das Atom an Ort und Stelle zu bringen, man muss es auch schaffen, den Greifarm wieder von dem Atom zu lösen. Das ist das ›Problem der klebrigen Finger‹.«
    »Das du aber auch schon gelöst hast«, mutmaßte sie.
    »In gewisser Weise«, sagte Hiroshi.
    »Klingt nicht sehr überzeugend.«
    Er wandte sich dem Computer zu. »Ich zeig dir, woran alles scheitert.« Er rief das Bild auf den Schirm, das er öfter als jedes andere studiert hatte, das er fast auswendig kannte, das er angestarrt hatte, bis er glaubte, Blutstropfen aus seiner Stirn treten zu spüren. »Hier. Ich nenne es ›das unmögliche Molekül‹.«
    Er betrachtete das Gebilde, das aus wenig mehr als zwanzigtausend Atomen bestand: ein Winzling in der Welt der Nanotechnik. Es hatte eine vage lanzettförmige Gestalt, weil es sich an einer Seite verengte, nicht etwa in eine nur noch aus einem einzigen Atom bestehende Spitze, wie man hätte vermuten können, sondern in eine komplexe, in sich verschachtelte Geometrie aus verschiedenen Atomen. Eine Röhre durchlief es der Länge nach, durch die Atome in diese Spitze gelangen konnten, und es war auf halber Höhe eieruhrförmig eingeschnürt, was den wirkenden

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