Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
doch!«
Hiroshis Stirn furchte sich, während er dem Übersetzer zuhörte. »Die Frage ist, wie«, sagte er dann. »Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, dass da ein oder zwei dicke Rohre hinabreichen, die man durchtrennen könnte. Es dürften eher Millionen von Fortsätzen sein, so dünn, dass man sie mit bloßem Auge nicht sieht – eher eine Art Schimmelpilz.«
»Eine Atombombe wird auch mit Schimmelpilz fertig.«
»Nicht mit diesem. Die Naniten können zweifellos Energie speichern – das heißt, sie wären selbst nach einer komplettenUnterbrechung, etwa durch eine unterirdische Nuklearexplosion, imstande, die Leitungen neu aufzubauen.« Hiroshi warf einen prüfenden Blick auf seinen Bildschirm. »Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass eine Atombombe überhaupt explodieren würde. Gut möglich, dass die Naniten sie schneller zerlegen, als sie fallen kann.« Er räusperte sich, zog den Computer zu sich heran. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Mein Programm ist einsatzbereit. Ich will mal etwas versuchen …«
»Dürfen wir erfahren, was?« Konteradmiral Whitecomb sagte es auf eine Weise, die keinen Zweifel daran ließ, dass er das nicht als bloße Frage oder gar als Bitte verstand.
»Kommunikation mit den Naniten herzustellen.«
»Und wie wollen Sie das schaffen?«
Hiroshi schien zu überlegen. »Das so zu erklären, dass Sie es verstehen, würde etliche Stunden in Anspruch nehmen. Es zu tun, wird nur einige Minuten dauern. Und möglicherweise wird es gar nicht funktionieren. Ich denke, es ist besser, ich versuche es erst und erkläre es später.«
»Und wenn es nicht funktioniert?«
»Dann versuche ich was anderes.«
Der Konteradmiral wechselte Blicke mit seinen Mitarbeitern, hob dann die Schultern. »Okay. Machen Sie.«
Hiroshi machte längst. Seine Finger huschten über die Tasten, sein Blick fraß sich an bizarren Diagrammen und sich rasch verändernden Ziffernfolgen fest. Das Gerät, das über ein Kabel an den Computer angeschlossen war – ein orangeroter Kasten, auf dem allerhand Leuchtdioden blinkten –, vermittelte den Eindruck hektischer Tätigkeit.
Ein Multiband-Funkgerät, hatte jemand gesagt. Charlotte hatte keine Ahnung, was das sein sollte, und sie hatte auch keinerlei Bedürfnis, es je zu erfahren. Sie wollte nur noch weg.
Draußen ballten sich dunkle Wolken, Schnee und Regen prickelten gegen die Seitenscheiben der Brücke. Das Schiff begann stärker zu stampfen als bisher. Charlotte musste an die Stunden in dem Schlauchboot denken, erschauderte bei der Erinnerung.Irgendwie war sie immer noch in einem Albtraum gefangen, aber zumindest war ihr nicht mehr so kalt.
Sie betrachtete wieder Hiroshi. Was tat er da eigentlich? Irgendwelche Funksignale an die Naniten senden? An Maschinen aus dem Weltall ? Wie kam er auf die Idee, dass die ihn verstehen würden?
In diesem Moment rief einer der Offiziere, die die Insel überwachten: »Aktivität!« Er beugte sich vor, drehte an Schaltern. »Das Portal öffnet sich!«
Im Nu standen sie alle hinter ihm, spähten auf seinen Bildschirm. Alle außer Hiroshi, der so ungerührt weiterarbeitete, als habe er gar nichts mitbekommen.
Tatsächlich – das Portal hatte sich ungefähr zur Hälfte aufgeschoben und einen dunklen Spalt ins Innere des Berges freigegeben. Admiral Uljakow ordnete erhöhte Alarmbereitschaft an, für den Fall, dass dahinter ein Geschütz oder dergleichen zum Vorschein kommen mochte.
»Die Funksignale haben aufgehört«, verkündete ein anderer Offizier. »Keinerlei Aktivität mehr.«
Die Insel war jetzt auf allen Bildschirmen, in verschiedenen Nahaufnahmen. Auf eine schwer zu fassende Weise wirkte sie tatsächlich, als sei sie erstarrt . Erst jetzt kam Charlotte zu Bewusstsein, dass man zuvor ständig minimale Bewegungen auf den scheinbar massiven, stählernen Flächen gesehen hatte – Bewegungen, die man unwillkürlich für Spiegelungen gehalten und denen man nicht viel Bedeutung beigemessen hatte. Doch nun sah man nichts mehr dergleichen.
Whitecomb drehte sich zu Hiroshi um. »Glückwunsch, Mister Kato«, sagte er. »Sieht fast so aus, als hätten Sie die Dinger abgeschaltet.«
Hiroshi klappte seinen Laptop zu. »Könnte mich dann bitte der Hubschrauber auf die Insel bringen?«
»Wie bitte?«
»Auf die Insel«, wiederholte Hiroshi geduldig. »Ich brauche ab jetzt direkten Kontakt zu den Naniten.«
Whitecomb hüstelte. »Finden Sie das nicht ein bisschen voreilig? Im Moment wissen wir noch nicht einmal, ob das
Weitere Kostenlose Bücher