Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
»Danke für alles. Ich melde mich, sobald ich kann.«
»Du musst weg? Wieso das? Ist irgendwas passiert?«
Hiroshi sah ihn ernst an. »Deine Aliens«, sagte er. »Wie es aussieht, sind sie da.«
Man hatte sie schließlich in die Krankenstation zurückgebracht, wo sie nichts von dem, was weiter geschah, mitbekamen. Aber es sah zumindest nicht so aus, als würde ein Atomschlag vorbereitet. Die Schiffe pflügten weiter durchs Polarmeer, ab und zu schrammte ein Eisblock am Rumpf entlang, und das war so ungefähr alles an Unterhaltung, was geboten war.
Einmal kam ein Soldat in die Krankenstation und ließ sich eine Schürfwunde verbinden. Charlotte hörte mit, wie er dem Arzt erzählte, dass sie auf einen Hubschrauber warteten, der »noch einen« Amerikaner vom Luftwaffenstützpunkt Amderma herüberbringen würde.
Kurz nach dem Abendessen kam der Hubschrauber schließlich. Von der Krankenstation aus konnte man zwar den Landeplatz nicht sehen, aber das Dröhnen war unüberhörbar. Kurz darauf erschien ein Offizier und bat Charlotte auf Russisch, auf die Brücke zu kommen. »No. Only she« , wehrte er ab, als Adrian und die anderen sich ebenfalls von ihren Betten erheben wollten.
Zu Charlottes nicht geringer Verblüffung stand mitten auf der Brücke, in ein Gespräch mit den Admirälen und Kommandooffizieren vertieft, niemand anders als – Hiroshi!
»Wo kommst du denn auf einmal her?«, fragte sie, als er sich aus der Gruppe löste, um sie zu begrüßen.
»Fragt die, die mich hat herholen lassen«, erwiderte Hiroshi mit schiefem Grinsen. »Vor ein paar Stunden war ich noch bei Rodney und Allison. Plötzlich sind irgendwelche Regierungstypenaufgetaucht, haben mich zu einem Flugplatz gefahren, dann ging’s mit einem Hubschrauber weiter zu einem Luftwaffenstützpunkt, und dort … dort haben sie mich in einen B2-Bomber gesetzt. Unglaublich. Ich meine, ich hab natürlich schon Fotos davon gesehen, aber wenn du vor so einer Maschine stehst, denkst du wirklich, jetzt bist du in einem Science-Fiction-Film und gleich kommen schleimige grüne Männchen um die Ecke. Das Ding fliegt, wenn es nicht mit Waffen vollgeladen wird, mit Schallgeschwindigkeit einmal um die halbe Welt, ohne dass es tanken muss …« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als müsse er sich vergewissern, dass sein Kopf noch am richtigen Platz saß. »Es war interessant. Ich will so was nie wieder im Leben mitmachen, aber interessant war es.«
Seine ungewohnte Mitteilsamkeit verblüffte Charlotte. Ja, er sah tatsächlich noch etwas grün im Gesicht aus. Vielleicht kam es daher.
»Und?«, fragte sie. »Kannst du mit alldem hier was anfangen?«
Er blies die Backen auf. »Also … Puh. Ich meine, klar, das sind Naniten. Nanobots. Nanotechnische Maschinen auf jeden Fall. Schon weil’s keine andere Erklärung gibt für das, was man auf den Aufnahmen sieht. Die einzige andere Erklärung wären CGIs, computererzeugte Animationen. Filmtricks.«
Charlotte dachte an Leon und wie er vor ihren Augen verschwunden war. »Das waren keine Filmtricks. Das ist alles wirklich passiert.«
»Okay. Dann …« Er hielt inne. »Komm doch rüber. Ich lad grade eins meiner Programme auf den Rechner, muss gleich so weit sein.« Ein flüchtiges Lächeln. »Die Geheimdienste zweier Länder werden diese Internetverbindung mitschneiden und sich über den Binärcode hermachen, schätze ich. Na ja, sollen sie.«
Sie setzten sich schließlich alle an den Konferenztisch, versammelten sich um Hiroshi, der einen klobigen, irgendwie militärisch aussehenden Laptop vor sich hatte. »In dem Dossier,das ich auf dem Herflug zu lesen bekommen habe, stand auch etwas zu den Volkslegenden, die über die Insel Saradkov existieren«, sagte er. »Es hieß, sie seien vermutlich über tausend Jahre alt. Eine erzählt von einem Krieg zwischen dem Himmel und der Erde und von einem schwarzen Engel, dem Anführer der himmlischen Heerscharen, der auf Saradkov hinabstürzte und im Eis begraben wurde. Sollte das Eis je schmelzen, heißt es in der Legende, werde der Krieg von Neuem beginnen, und deswegen müsse hier oben immer Winter herrschen.«
Der russische Admiral nickte. »Eine alte sibirische Sage.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass sie die Erinnerung an ein reales Ereignis bewahrt – den Einschlag einer Sonde, die aus dem Weltraum gekommen ist. Einer Sonde, die auf Nanotechnik beruhte und die einen uns unbekannten Auftrag hatte.« Hiroshi faltete die Hände. »Aus meiner Sicht stellen
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